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Schulchronik Teil 1

Aus der Festschrift zum 75-jährigen Schuljubiläum 1989

 

75 Jahre Gymnasium Waldstraße

Zur Geschichte einer Hattinger Schule

von Dr. Heinz Niggemann

 

Gedenkfeiern, zumal wenn sie durch vermeintlich "runde" Zahlen historisches Gewicht erhalten, sind allgemein beliebt. In der Tat kann es sinnvoll sein, und sei es zu einem vom Kalender diktierten Zeitpunkt, sich an die eigene Geschichte zu erinnern und den eigenen Standort im Geschichtsprozeß bewußtzumachen. 1939 feierte das Gymnasium Waldstraße, wenngleich unter anderem Namen, sein 25jähriges, 1964 sein 50jähriges Jubiläum;[1] es ist nur konsequent, daß wir 1989 das 75jährige Bestehen der Schule feiern. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, daß die Schule nicht 1914 entstand.

Von Anfang an verlief ihre Geschichte nicht gradlinig, mehrfach wechselten Namen und Gebäude. Höhen und Tiefen ihrer Entwicklung sind eng mit denen ihrer Stadt und ihres Landes verknüpft.

 

1. Die Entstehung des Gymnasiums und der "Tod fürs Vaterland"

Ähnlich wie Hattingens Entwicklung zur Stadt vollzog sich die Herausbildung des Gymnasiums etappenweise. Aus mittelalterlichen Anfängen seit 1400 hatte sich in Hattingen unter einschneidenden Kontinuitätsbrüchen, vor allem der Reformation und der Industrialisierung, bis zum 19. Jahrhundert die "höhere Stadtschule" entwickelt, die 1900 den Status eines "Progymnasiums" mit Klassen von Sexta bis Untersekunda (in heutiger Terminologie 5 - 10) erhielt. 1911, mit dem erst 33jährigen Dr. Watenphul als neuem Schulleiter, begann man mit der Einrichtung der Oberstufe, 1913 hatte die Schule zum ersten Mal eine Oberprima. Im Februar 1914 fand die erste Reifeprüfung, für Lateiner: das Abitur statt. Alle 12 Abiturienten bestanden die Prüfung. Danach, am 14.3.1914, machte der preußische Minister "für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten" die Schule per Verfügung zu einem "Realgymnasium".[2] Dieses Datum hat man 1939 und 1964 als Bezugspunkt gewählt, und uns ist es 1989 auch Anlaß zum Feiern.

1914 hatte die Schule 239 Schüler und 19 Lehrer, die - wie heute - je 24 Wochenstunden Unterricht erteilten. Sie befand sich noch nicht an der Waldstraße, wenngleich dort das spätere Schulgebäude soeben als Lehrerseminar fertiggestellt worden war, sondern in der Bismarckstraße, wo später das Mädchengymnasium einziehen sollte.[3] In der Sexta (heute Klasse 5) begann man mit Latein, in der Quarta (Klasse 7) folgte Französisch, in der Untertertia (Klasse 8) Englisch. Das Schulgeld war hoch: es betrug je nach Klassenstufe, von Sexta bis Oberprima in 10-Mark-Schritten ansteigend, zwischen 110 und 190 Mark jährlich; auswärtige Schüler mußten 40 Mark mehr bezahlen.[4] Nicht jeder konnte es sich erlauben, seine Kinder auf das neue Gymnasium zu schicken. Für die Ober- und Mittelschichten Hattingens jedoch war seine Einrichtung ein wichtiger Schritt.

Nur kurze Zeit noch gab es damals Grund für Hochstimmung; wenige aber bemerkten frühzeitig, daß der im Sommer 1914 beginnende Weltkrieg kein Fest war. Kriegsbegeistert meldete sich die gesamte Oberprima, zudem je zwei Schüler aus der Unterprima und Obersekunda freiwillig zum Kriegsdienst. An dieser fatalen Verblendung war die Schule nicht unschuldig; die ersten Abiturienten hatten schon im Februar 1914 ihren Deutschaufsatz zu dem Thema schreiben müssen:

"Der Krieg ist schrecklich wie des Himmels Plagen, doch er ist gut, ist ein Geschick wie sie: nachzuweisen an der preußischen Geschichte von 1806-1813."[5]

Erst spät, und schmerzlich, lernte man, daß der Krieg weder "gut"  noch ein "Geschick" des "Himmels" war. Die ersten Opfer unter Schülern und Lehrern des neuen Gymnasiums waren schon 1914 zu beklagen. Die Sprache der Todesanzeigen bejaht noch den Krieg, versteckt die Sinnlosigkeit des Todes hinter Formulierungen wie der vom "Tod fürs Vaterland", die heute zynisch scheinen mögen. In Wirklichkeit aber ist es ein Ausdruck verzweifelter Hilflosigkeit und tragischer Verblendung, daß man auf die von der Propaganda bereitgestellten verlogenen Formeln zurückgriff.

Das letzte Schuljahr für die neuen Oberprimaner, den zweiten Abiturientenjahrgang, dauerte nur von Ostern bis zum Sommer 1914; die Reifeprüfung wurde vorverlegt, so daß die Abiturienten schneller zum Kriegsdienst eingezogen werden konnten. 1915 wurden Unter- und Oberprima zusammengelegt.[6] So blieben auch die daheim gebliebenen Schüler und Lehrer von den Auswirkungen des Krieges nicht verschont. "Hingabe für das Vaterland, für Kaiser und Reich" wurden als Lernziele in Richtlinien festgeschrieben, Schüler ab 16 Jahren mußten an körperlichen Übungen zur Vorbereitung des Kriegsdienstes teilnehmen.[7] Zwar stellte das "Königliche Provinzialkollegium" bereits 1915 fest, daß "eine Reihe von Lehrern der militärischen Vorbereitung der Jugend ... noch etwas zurückhaltend gegenübersteht", und monierte 1918, daß "die Beteiligung der Schüler der höheren Lehranstalten und Seminare an der Jugendwehr in letzter Zeit an einigen Orten in auffallender Weise abgenommen habe",[8] doch scheint das in Hattingen nicht der Fall gewesen zu sein: Noch im Juni 1918 nahmen von 110 Schülern über 16 Jahren 106 an diesen militärischen Übungen teil.[9] Zudem wurden die Schüler ständig zu Sammlungen eingesetzt: Sie warben für die Kriegsanleihen und sammelten Gold und Platin, Früchte und Obstkerne, Knochen und Laubheu.

Die Lehrer fanden  Wege, die Schüler anzuspornen: großer Sammeleifer wurde mit einem Tag schulfrei, großer Lernerfolg mit einem Buchgeschenk, dem "Marine-Album" zu Kaisers Geburtstag belohnt.[10]

Zwar verweist die Gründung von Schulchor und -orchester im Jahre 1917[11] auf das Bemühen, nicht alles dem Primat des Militärischen zu opfern, doch wurde das zunehmend schwieriger. 1918 waren die Verhältnisse desolat geworden. Die Bevölkerung wußte noch nicht, daß der Krieg verloren war, doch breitete sich die Kriegsmüdigkeit unaufhaltsam aus. Der Lehrer Diehl stellte in Erwartung baldigen Kriegsendes im Oktober 1918 einen Antrag auf Zurückstellung seiner Einberufung, der jedoch noch am 18.10.1918, nur acht Tage vor der Entlassung des Militärdiktators Ludendorff, abgelehnt wurde.[12] Hunger und Mangel an Heizmaterial ließen fast jeden die Kriegsfolgen am eigenen Leibe spüren. Von einem geregelten Unterricht konnte 1918 keine Rede mehr sein, und schließlich entfiel wegen des häufigen Unterrichtsausfalls sogar ein Zeugnistermin.[13]

Bis zuletzt hatten die Schulen ihre Schüler im Geiste des Kaisertums, zu unreflektiertem Gehorsam gegenüber Obrigkeiten, zu besinnungsloser und daher leicht mißbrauchbarer "Vaterlandsliebe" und nicht zuletzt zum Kriegsdienst erzogen; für die Demokratie waren sie denkbar schlecht vorbereitet.

 

2. Die "goldenen zwanziger Jahre" und die Weimarer Republik

Am 9. November 1918, dem Tag, an dem Arbeiter und Soldaten die Monarchie stürzten und die Ausrufung der Republik veranlaßten, bildete sich auch in Hattingen ein Arbeiter- und Soldatenrat, der Beteiligung an der Verwaltung verlangte.[14]

Dr. Erich Juethe, Geschichtslehrer und, wie in diesem Zusammenhang betont werden muß, kein führender Nationalsozialist, beschrieb 1939 die Hattinger Ereignisse so:

"Der Winter von 1918 auf 19 gehört zu den tiefsten und stärksten Erlebnissen unserer Schule. Er brachte die Heimkehr der Armee, tägliche Truppendurchmärsche, die Schuljugend säumte die Straßen. Was sie sah, wird ewig in ihren Herzen brennen. Schwere Lastkraftwagen mit roten Fahnen und Fähnchen und finsteren Gesellen am Steuerrad und dann unsere Infantrie aus den Schützengräben von Frankreich, diese herrliche unbesiegte, ungebeugte Infantrie mit den Farben schwarz-weiss-rot. Nie wird der Junge vom Hattinger Realgymnasium sie vergessen, diese Heimkehr der Männer von der Westfront. Als die Novemberrevolte losbrach, der Aufstand in Etappe, Heimat und Großstadt, da hatte diese Front, zurückgenommen in die A.M.-Stellung, sich herrlich gehalten bis zum letzten Augenblick."[15]

Manches konnte man vielleicht 1939 nicht anders sagen, wenn man es veröffentlichen wollte; der Glaube an die Dolchstoßlegende, das Mißtrauen gegenüber den Revolutionären, die Hochschätzung des Soldatischen sind jedoch so eindringlich formuliert, daß der Verfasser sie wohl ernst gemeint hat. Und in der Tat lagen dort ja Berührungspunkte zwischen konservativem Bürgertum und Nationalsozialisten, die es der neuen Demokratie von Anfang an schwer gemacht haben.

Es fehlte dabei nicht an Versuchen, auch das Schulleben zu demokratisieren: Lehrer und Schüler ab 20 Jahren erhielten das Recht, an politischen Versammlungen teilzunehmen und Parteien beizutreten; das Tragen von Schülermützen wurde von Januar 1919 an freigestellt; die Lehrer wählten im Oktober 1919 einen Lehrerausschuß, den Schülern gab ein Erlaß das Recht, einen Schülerrat zu wählen. Doch in Hattingen beschlossen die Schüler von Obertertia bis Oberprima (heute: 9 bis 13) und die Lehrer mit 119 Stimmen gegen 1, auf diese Institution zu verzichten. 1939 galt das als Beweis "für das gesunde Empfinden unserer Jungen";[16] uns zeigt es heute, wie wenig man 1919 von den Prinzipien der Demokratie begriffen hatte. Nicht nur in Hattingen zeigten Gymnasiasten oft eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber der Republik, lehnten demokratische Formen ab und hielten an Werten des Kaiserreichs fest.[17]

Politisches Engagement auf der Rechten fand dementsprechend größere Resonanz: nach einer ersten Versammlung am 27.10.1919 gründeten Schüler des Realgymnasiums im November 1919 eine Hattinger Gruppe des "Nationalvereins Jungdeutschland" (NVJD), einer völkisch-antisemitischen Organisation. Die Naivität der Jugendlichen zeigt sich darin, daß jüdische Schüler zu den Gründungsmitgliedern gehörten; nach einer mit Zeitungsartikeln und Flugblättern geführten öffentlichen Debatte unter der den Sachverhalt auf den Kopf stellenden Parole "2 gegen 70" jedoch wurden die Juden ausgeschlossen.[18]

Doch gab es auch hoffnungsvollere Ansätze: 1921 wurden aufgrund eines Erlasses vom 21. 3. 1920 Klassensprecher gewählt, ein Lehrer übernahm die Rolle des "Schülerberaters"; daß es sich hierbei allerdings um einen Lehrer handelte, der schon 1928 in die NSDAP eintrat und 1933 zum Oberschulrat befördert wurde, war kein gutes Omen.[19] Tatsächlich hat er später viele Schüler zum Nationalsozialismus geführt.[20]

1921 finden sich Bemühungen, die Chancen von Kindern aus ärmeren Familien zu verbessern: Erstens veranstaltete die Kommune 1921/22 kostenlose Schulkinderspeisungen: 600 Kinder, 51 davon Schüler des Realgymnasiums, nahmen daran teil. Zweitens wurde die Zahl der Freistellen, d.h. der Schüler, die kein Schulgeld zahlen mußten, erhöht, und drittens gründete Studienrat Dr. auf der Haar eine "neusprachliche Notbibliothek", die Literatur an diejenigen auslieh, die sich den Kauf der Bücher nicht leisten konnten. Mit Hilfe eines Bibliotheksvereins konnten bis zum 1.4.1922 immerhin 1000 Bände angeschafft werden.[21]

So gab es zumindest Ansätze dazu, die Schule demokratischer und sozialer zu machen. Sie gingen Hand in Hand mit einer Belebung des kulturellen Lebens an der Schule: Im Oktober 1921 fand eine Weimarfahrt der Oberprima statt, die dann zu einer Tradition der Schule werden sollte. 1922 entstand eine Schauspielgruppe.[22]

Das Krisenjahr 1923 mit französischer Besatzung im Ruhrgebiet, mit passivem Widerstand und mit seiner Hyperinflation unterbrach die hoffnungsvolle Entwicklung und verursachte auch dem Hattinger Realgymnasium erhebliche Schwierigkeiten. Vom 16. März 1923 bis zum 29. Juli 1925 mußte es das Gebäude an der Bismarckstraße räumen; dort, in der "Caserne Calvet", quartierte sich eine französische Besatzungstruppe ein. Die Schule nutzte in der Zeit in Schichtunterricht Gebäude des Lyzeums, der höheren Mädchenschule in der Schulstraße, und der Fortbildungsschule an der Blankensteiner Straße. Der Chemieunterricht fand in den Labors der Henrichshütte statt.[23]

Das Schulgeld stieg schon im Februar 1923 auf die absurde Summe von 6 Billionen Mark pro Monat, wurde dann im November 1923 auf 4 Goldmark, 1924 auf 6 Mark festgesetzt. Staat und Stadt ergriffen scharfe Sparmaßnahmen; wie immer gehörten Schul- und Bildungswesen zu den ersten Opfern. Der Staat wollte die Zahl der Beamten abbauen und stellte keine Lehrer mehr an; Proteste gegen den "Schulabbau" blieben vergeblich.

Die Stadt Hattingen kürzte ihre Zahlungen für das Realgymnasium 1924 um 40%; der Unterricht konnte nur deshalb noch stattfinden, weil die Eltern zusätzlich zu den 6 Mark Schulgeld monatlich weitere 11 Mark "freiwillig" zahlten. Hattingen und Sprockhövel stritten sich, welche Kommune welchen Betrag für die Schule zu zahlen habe; schließlich konnte Hattingen vor Gericht einen höheren Zuschuß Sprockhövels erzwingen.[24]

Die relative Konsolidierung der Weimarer Republik seit 1924/25 bot die Voraussetzung zu dem, was später verklärend die "goldenen zwanziger Jahre" genannt wurde. Daran hatte in bescheidenem Maße auch das Hattinger Realgymnasium Anteil. Dr. Eversberg, der die Schule als Schüler und Lehrer über lange Jahre hinweg kennengelernt hat, nennt die Jahre von 1925-33 die "Blütezeit".[25] Wichtig war zunächst, daß die Schule wieder ein eigenes Gebäude erhielt: am 29. Juli 1925 zog man in die Waldstraße. Die neu gestaltete Aula galt als gelungenes Beispiel moderner Innenarchitektur.

Neben den obligatorischen Unterrichtsfächern konnten nun die Schüler auch Italienisch und Spanisch lernen, und der Schulleiter Dr. Watenphul, Herausgeber eines mittellateinischen Lesebuches, förderte die Pflege auch mittelalterlichen Lateins. Das Orchester verfügte 1928 über immerhin 26 Violinen, die Schauspielgruppe erhielt 1929 einen Kostümfundus; am 30.4.1929 führte sie Shakespeares Sommernachtstraum auf, mit dem Obertertianer Alois Bach, der 1955 als Lehrer an seine Schule zurückkehrte, in der Rolle Pucks. Die Stadt Hattingen und die Henrichshütte unterstützten die Theateraufführungen durch Geldspenden und finanzierten auch Schulausflüge.[26]

Diese "Blütezeit" endete jedoch nicht erst 1933, sondern spätestens 1930, als die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren waren und die politische Krise der Weimarer Republik in Naziterror und gewalttätigen Auseinandersetzungen auf der Straße kulminierte. Hattingen, eine überwiegend protestantische Kleinstadt mit einer breiten, wirtschaftlich und politisch verunsicherten Mittelschicht, zudem seit der Besetzung 1923 nationalistischer Propaganda zugängig, entwickelte sich zu einer Hochburg des Nationalsozialismus. Bereits am 10.8.1926 entstand eine Hattinger Ortsgruppe der Hitlerjugend.[27]

Die KPD war zwar in Welper stark, doch politisches Engagement von links außen scheint für das Realgymnasium kein Problem gewesen zu sein. Lediglich einmal findet sich ein zudem negativer Hinweis in den Schulakten: Treffen linksextremer Organisationen hätten in Schulgebäuden nicht stattgefunden.[28] Weit schwieriger war in Hattingen die Abwehr der Nationalsozialisten; die Verfügung des Schulkollegiums Münster, Schüler dürften nicht Organisationen der kommunistischen oder nationalsozialistischen Partei angehören, war letztlich ein zu halbherziger Versuch, den Erfolg der NSDAP unter der Jugend aufzuhalten.[29]

Unmittelbarer spürbar waren zunächst die staatlichen Sparmaßnahmen, mit denen Staat und Gemeinden im Zeichen einer heute als verfehlt angesehenen deflationistischen Wirtschaftspolitik unter Reichskanzler Brüning auf die Weltwirtschaftskrise reagierten: Von 1930 bis 1932 wurden die Gehälter von Beamten, d.h. auch der Lehrer, um 30 bis 40% gekürzt; Junglehrer waren nach Abschluß ihrer Ausbildung arbeitslos.[30] Am Realgymnasium in Hattingen wurden 1931 zwei Planstellen eingespart; das Schulgeld wurde dennoch von einheitlich 200 Mark für Einheimische und 250 Mark für Auswärtige von 1930 an je nach Einkommen der Eltern auf bis zu 1000 Mark jährlich erhöht. Diese Maßnahme traf gerade in Hattingen erneut den Mittelstand, da hier die meisten Gymnasiasten Kinder von Handwerkern, z.T. auch von qualifizierten Facharbeitern waren.[31] In den letzten Tagen vor Hitlers "Machtergreifung", wie die Übertragung der Kanzlerschaft nicht ganz zutreffend genannt wird, vom 28. bis 31. Januar 1933, mußte in Hattingen der Unterricht wegen Kohlemangels ausfallen.[32]

So endete die Weimarer Republik am Hattinger Realgymnasium sang- und klanglos unter denkbar tristen Umständen. Die durchaus vorhandenen Ansätze zur Demokratisierung und zu einer reichseinheitlichen Schulreform waren gescheitert. Die Nationalsozialisten trafen bei der Umgestaltung der Schule in ihrem Sinne kaum auf Widerstand.

 

3. Der Nationalsozialismus und das "Adolf Hitler-Realgymnasium"

Schon vor Hitlers "Machtergreifung" waren 5% aller deutschen Lehrer Mitglieder der NSDAP gewesen; vom 30. Januar bis zum Mai 1933 stellten weitere 25% einen Aufnahmeantrag.[33] Offenkundig ist hier die Sicherung einer Karriere im öffentlichen Dienst das ausschlaggebende Motiv, nicht die politische Überzeugung, und da machte das Realgymnasium in Hattingen keine Ausnahme. Zwei Lehrer traten bereits vor 1933 der NSDAP bei, einer im Mai 1933, vier weitere im Mai 1937; ferner waren einige Lehrer seit 1933 oder 1934 Mitglieder des "Stahlhelms" oder der SA.[34]

Sehr schnell war Hattingen  mit Ehrungen für Adolf Hitler: die Stadt machte ihn schon am 12. März 1933 zu ihrem Ehrenbürger und beantragte im Sommer 1933 eine Namensänderung für das Gymnasium; vom 12. Oktober 1933 an hieß es "Adolf Hitler-Realgymnasium",[35] nach der nationalsozialistischen Schulreform von 1937 dann "Adolf Hitler-Oberschule für Jungen". Dieser Name hat später ehemaligen Schülern gelegentlich Schwierigkeiten verursacht, weil fälschlich angenommen wurde, es habe sich um eine der zwölf von 1937 an gegründeten NS-Eliteschulen gehandelt.[36]

Die moderne und geschickte Propaganda der Nationalsozialisten erfaßte sehr schnell auch die Schulen. In Feierstunden unter Einsatz modernster Medien, vor allem des Rundfunks, demonstrierte man den Schülern die Erfolge der NSDAP, z.B. anläßlich des "Wahlsieges der nationalen Front" am 8. März 1933, zu dem man das letztlich trotz Terror und Einschüchterung für die Nationalsozialisten enttäuschende Wahlergebnis hochstilisierte, oder zum "Tag von Potsdam", als Hitler sich neben Hindenburg mit Frack und Zylinder als seriöser Politiker verkleidete und sich in die Tradition des Preußentums stellte.[37] Der Schulalltag wurde immer wieder von Feier- und Gedenkstunden unterbrochen: zu Hitlers Geburtstag, zum Tag der Machtergreifung, zum Gedenken an die beim mißglückten Hitlerputsch 1923 Umgekommenen, zu den Reichsparteitagen, zum 15jährigen Bestehen der NSDAP in Hattingen 1937, zur "Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich"  oder der "Angliederung Sudetendeutschlands" 1938.

Bald auch trat die HJ als mindestens gleichberechtigte Instanz neben die Schule; schon am 20.4.1933 wurde angeordnet, daß in der HJ engagierte Schüler bei der Versetzung zu bevorzugen seien. Sie, und nur sie, sollten die Chance einer Nachprüfung erhalten. Am 26. Juni 1933 verpflichtete ein Erlaß die Lehrer offiziell zur Unterstützung der HJ, und ein geheimer Brief des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung stellte am 15.8.1935 klar, daß mit dieser Pflicht die Unterstützung anderer Jugendverbände, z.B. kirchlicher, nicht vereinbar sei.[38] Der Vertrauenslehrer wurde ein Verbindungsmann zwischen Schule und HJ; er wurde nicht mehr gewählt, sondern vom Schulleiter auf Vorschlag der HJ ernannt. In Hattingen war dafür der "HJ-Bann 99" zuständig, der dem Schulleiter brieflich den Namen des ihm genehmen Lehrers mitteilte.[39] Im Februar 1934 hieß es, die Mitgliedschaft in der HJ, SA oder SS müsse bei allen Beurteilungen einschließlich des Abiturs positiv gewichtet werden, und schließlich erhielten alle HJ-Mitglieder samstags schulfrei. Viele Jugendliche ließen sich damit in die HJ locken. An diesem sogenannten Staatsjugendtag, der im August 1934 eingeführt wurde, trat der HJ-Dienst an die Stelle des Unterrichts. Als die Mitgliedschaft in der HJ 1936 obligatorisch wurde, schaffte man den Staatsjugendtag von Januar 1937 an wieder ab.[40] Die Schule mußte die Zahl der HJ-Mitglieder unter den Schülern regelmäßig feststellen, und im Juni 1934 waren bereits 92,03% der Schüler, wie es exakt hieß, HJ-Mitglieder.

Warum 20 Schüler immer noch nicht in der Hitler-Jugend waren, bedurfte einer Begründung seitens der Schulleitung: Zwei von ihnen waren Juden, einer "Halbjude", drei (evangelische) Schüler waren körperlich behindert, 14 (Katholiken) waren aufgrund kirchlicher Bindungen ihrer Familien der HJ gegenüber resistent. Im Dezember 1935 bat die Schule, die Fahne der HJ hissen zu dürfen, da über 90% der Schüler organisiert waren.[41] Bruno Meck, ehemaliger Schüler des Gymnasiums, erinnert sich, daß er in seiner Klasse bis 1937 einen jüdischen Mitschüler, Gumperz, hatte; dann wanderte dessen Familie aus. Gumperz ist heute Professor für Linguistik in Berkeley.[42] Als am 15.11.1938, wenige Tage nach dem unter dem Namen "Kristallnacht" bekannten Judenpogrom, verfügt wurde, daß Juden nur noch jüdische Schulen besuchen durften, mußte als letzter Jude H.J. Markes das Hattinger Gymnasium verlassen, und am 2.9.1939 meldete die Hattinger Zeitung: "Hattingen judenfrei".[43]

Unliebsame demokratische Überreste aus der Weimarer Republik wie die Lehrerräte liquidierte man noch 1933, und im Dezember desselben Jahres sagte man offiziell dem "Überhandnehmen des rationalen Denkens" den Kampf an, das Diktaturen stets ein Dorn im Auge war.[44] Daß der Nationalsozialismus ein bildungsfeindliches Regime war, zeigt sich auch daran, daß die Schulen während des "Dritten Reiches" weniger Geld, weniger Lehrer und größere Klassen hatten als vorher.[45]

Eine der spektakulärsten Veränderungen des Lehrstoffs war die Einführung von "Vererbungs- und Rassenkunde" am 21. 9. 1933. Biologielehrer sollten hier die rassistische Theorie von der Überlegenheit der "Arier" verbreiten und damit die "Irrlehre von der Gleichheit der Menschen" bekämpfen. Durch Kürzung des Mathematik- und Fremdsprachenunterrichts standen dafür zwei bis drei Wochenstunden zur Verfügung. Die Geräte zur Ausmessung der Schädel und Kategorisierung der Menschen aufgrund der Form ihrer Stirn, Nasen oder Augen, die damals zur Biologiesammlung gehörten, existieren noch. In der Abiturprüfung 1937 lautete die Aufgabe: "Wie ist der Entartung entgegenzutreten?"[46]

Auch andere Fächer blieben von ideologischer Befrachtung nicht verschont: So lauteten im Schuljahr 1934/35 Aufsatzthemen z.B. "Was hat der Führer bisher schon für die deutsche Wirtschaft getan?", "Wie es um die angebliche Schuld Deutschlands am Weltkriege aussieht" oder "Welche Erziehungsaufgaben hat die Hitlerjugend?"[47] 1937/38 mußten die Obersekundaner in Deutschaufsätzen die Fragen beantworten: "Warum müssen wir unsere Kolonien wiederhaben?" und "Worin kommt die Ueberlegenheit der autoritär geführten Staaten gegenüber den parlamentarisch regierten 'Westdemokratien` zum Ausdruck?"[48] Da die NSDAP dennoch nie ganz ihr Mißtrauen gegenüber den Schulen ablegte, ließ sie von Ostern 1937 an die vier oberen Klassen an zwei- bis dreiwöchigen "Nationalpolitischen Lehrgängen" teilnehmen, die in Jugendherbergen weltanschauliche Schulung und Gemeinschaftsleben miteinander verbinden sollten.[49]

Der ausgeprägte Sinn der Nationalsozialisten für die Wirkung von Symbolen und die bewußtseinsprägende Kraft des Ästhetischen machte sie mißtrauisch gegenüber den Schülermützen, die die Zugehörigkeit zu einem Gymnasium statt zu einer angeblich klassenlosen und durch Deutschtum einheitlichen "Volksgemeinschaft" dokumentierten. Ehemalige Schüler berichten, daß am Hattinger Realgymnasium 1934 noch rote Mützen mit je nach Klassenstufe unterschiedlich gefärbten Bändern üblich waren, die Primaner jedoch weiße Mützen mit schwarz-weißer "Einjährigenkordel", die Unterprimaner mit schwarz-goldenem, die Oberprimaner mit gold-rot-goldenem Band trugen. Diese Mützen waren in den folgenden Jahren zunehmend verpönt, und es wurde geradezu ein Ausdruck von Trotz, Unbehagen oder Protest, sie dennoch aufzusetzen.[50] Widerstand im engeren Sinne gab es jedoch nicht: Zu der 1936 oder 1937 entstandenen Gruppe von Hattinger "Edelweißpiraten" gehörten keine Gymnasiasten.[51]

Erfolgreich scheinen die Nationalsozialisten mit dem Durchsetzen anderer Formen gewesen zu sein: Am 20.4.1934 wurde der Hitlergruß an den Schulen eingeführt, und zwar zu Anfang und Ende jeder einzelnen Unterrichtsstunde.[52] Vor Beginn des Unterrichts mußten die Schüler auf dem Schulhof antreten, wo der Tag mit einem markanten nationalsozialistischen Spruch, etwa "Du bist nichts, dein Volk ist alles", begann.

Das Verhalten der Lehrer war durchaus unterschiedlich; da gab es einerseits den Kunstlehrer, der zwar ständig Hitler-Porträts malte, sonst aber den Aussagen ehemaliger Schüler zufolge kein schlimmer Nazi war, oder den Sportlehrer, der wegen seiner Vorliebe für Uniformen und Orden "Goldfasan" genannt wurde, der die Schüler marschieren und HJ-Lieder singen ließ und Katholiken wegen ihrer Teilnahme an Fronleichnamsprozessionen schikanierte, andererseits den Geschichtslehrer, der den Schülern von seiner Bekanntschaft mit Wilhelm Liebknecht erzählte, oder den Musiklehrer, der sich kritisch über das Horst-Wessel-Lied äußerte: Ein Lied, dessen Melodie bei den Worten "die Fahne hoch" nach unten gehe, könne nichts taugen.[53]

Der Schulleiter selbst galt als Humanist und Gegner der Nationalsozialisten. Doch zeigt gerade sein Beispiel, wie weitgehend sich das "Dritte Reich" auf die loyale Mitarbeit selbst derjenigen verlassen konnte, die ihm kritisch gegenüberstanden. Aus freien Stücken, durch keinerlei Druck gezwungen, kritisierte er die Gewährung einer Freistelle, d.h. der Befreiung von Schulgeldzahlung, an einen Schüler, der nicht der HJ angehörte. Der hier abgedruckte Brief und die Antwort des Ministers[54] zeigen exemplarisch, wie das Herrschaftssystem der Nationalsozialisten überhaupt nur funktionieren konnte: Millionenfach stellte man eine abstrakte, von politischen Inhalten losgelöste Loyalität zum "Staat" über alle Bedenken, die man vielleicht gegenüber den Nationalsozialisten hatte, war dabei manchmal dogmatischer selbst als nationalsozialistische Minister. Erst die Mitarbeit, erst der aus blinder Staatstreue, aus Opportunismus oder aus Angst um die eigene Karriere erwachsene Übereifer von Beamten und anderen Bürgern machte den Nationalsozialismus zu einem effektiven System. Das Regime honorierte diese Haltung jedoch nicht; auch der Schulleiter des "Adolf Hitler-Realgymnasiums" wurde als unzuverlässig aus dem Dienst entlassen, da er Freimaurer war. Oberstudienrat Diehl übernahm daraufhin kommissarisch die Schulleitung. Es gehörte wohl Mut dazu, seinen Vorgänger als "verdienstvoll" zu würdigen.[55] Der neue, im Mai 1938 in sein Amt eingeführte Schulleiter war ein Studienrat aus Witten, der mit einem Schritt gleich zum Oberstudiendirektor befördert wurde; er war schon 1932 in die NSDAP eingetreten.[56]

Wie schwierig es war, dem Konformitätsdruck zu entgehen, zeigt das Beispiel des Geschichtslehrers Dr. Mönks: 1938 denunzierte ihn ein Schüler, weil er von "Karl dem Großen" gesprochen hatte statt, wie es die germanisierende Sprachregelung wollte, von "Karl dem Sachsenschlächter". Am 1.10.1939 wurde er deswegen vorzeitig in den Ruhestand versetzt.[57] Der katholische Vikar Lütteken erhielt im Mai 1937 Unterrichtsverbot, und einer 1939 angestellten Studienassessorin legte man nahe, sich außerhalb Hattingens um ihre feste Anstellung zu bemühen; für diese nationalsozialistische Hochburg war ihr nicht verheimlichtes Desinteresse an der Parteiarbeit untragbar. Die Initiative zu ihrer Abschiebung ging dabei nicht von der Schulleitung oder der Schule als Institution aus, sondern von lokalen Parteigrößen, die jedoch auch im Lehrerkollegium ihre Komplizen hatten.[58]

Selbst das Schulgebäude war vor dem Zugriff der Nationalsozialisten nicht sicher. Schon im April 1934 finden sich Klagen über die störende Nutzung durch die NSDAP, und Ostern 1935 mußte die Schule die Waldstraße gänzlich räumen. Das Jungengymnasium mußte in die Bismarckstraße ziehen, das Lyzeum in die Schulstraße. Das Schulgebäude an der Waldstraße wurde zunächst ein SA-Hilfswerklager, dann, vom 20.5.1935 an, Kaserne des "Sturmbanns III" der SA-Wachstandarte "Feldherrnhalle". Erst im Sommer 1942 erhielt das Gymnasium sein Gebäude zurück.[59]

Unter diesen Umständen wurde die Feier zum 25jährigen Bestehen der Schule im März 1939 kein großes Fest; zu diesem Zeitpunkt hatte die Schule 400 Schüler und 15 Lehrer. Der Schulleiter Dr. Birkenberg hielt eine Rede, Dr. Etterich, zuvor Lehrer der Schule, mittlerweile zum Oberschulrat befördert, war anwesend, ein "Gruß an den Führer" durfte nicht fehlen, ein "Ehrenmal" für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges wurde aufgestellt.[60]

Daß zu diesem Zeitpunkt die Vorbereitungen für den Zweiten Weltkrieg schon weit gediehen waren, konnten sensible Beobachter nicht mehr übersehen.

 

4. Der Zweite Weltkrieg

Schon im März 1933 und 1934 fanden im Gymnasium Vorträge über den Luftschutz statt, und im Februar 1935 mußten alle Lehrer an einem mehrtägigen Luftschutzlehrgang teilnehmen, doch wurde die Schule bis September 1939 nicht gegen Luftangriffe gesichert. Im Oktober 1936 begannen die Schüler mit den aus dem Ersten Weltkrieg bekannten Sammlungen von Knochen, Metall und Abfällen.[61]

Die Ausweitung des Sportunterrichts von 18 auf 40 Wochenstunden während der gesamten Gymnasialzeit diente nicht zuletzt der Vorbereitung auf den Militärdienst, zumal Marschieren und Boxen zu den praktizierten Übungen gehörten. Bruno Meck nennt eine weitere Funktion der vielen, zudem von nachmittäglichen Vereinsstunden, Wettkämpfen und HJ-Dienst begleiteten Sportstunden: "Man kam nicht recht zur Besinnung."[62] Muße, die zum Nachdenken hätte genutzt werden können, war unerwünscht; ständige Aktivität lenkt ab.

Der Reichserziehungsminister bestimmte mit Erlaß vom 30.11.1936, daß zu Ostern 1937 nicht nur die Ober-, sondern zugleich auch die Unterprima ihr Abitur ablegen sollten. Vom Schuljahr 1937/38 an wurde die Schulzeit generell um ein Jahr verkürzt, so daß die "Oberschule" nur noch acht Jahre dauerte. Der militärische Zweck dieser Schulzeitverkürzung wurde kaum vertuscht; Ursachen seien die "Durchführung des Vierjahresplanes sowie der Nachholbedarf der Wehrmacht und akademischen Berufe".[63] In der Schulgeschichte von 1939 heißt es dazu:

"Unruhig, mühevoll, verantwortungsbewußt war somit die Schularbeit des Jahres 1938. Aber sie war notwendig. Arbeitsdienst und Heeresdienst brauchen ihre Zeit. Auch eine Verkürzung des Studiums ist notwendig geworden und bereits ins Auge gefaßt. Die biologischen Gefahren für die Volksgesundheit, die darin liegen, daß der junge Mensch zu lange studiert, zu spät in seinen Beruf kommt, müssen durchaus vermieden werden. Die Art, wie die Staatsführung dem Problem Spätehe, Geburtenbeschränkung, Überalterung des Volkes, Kinderarmut mit entschlossenen Maßregeln zu Leibe geht, erweist die eminent praktische Haltung des Nationalsozialismus."[64]

Daß die nationalsozialistische Parole vom "Volk ohne Raum", das sich den für seinen Bevölkerungsüberschuß erforderlichen "Lebensraum" im Osten erobern müsse, mit der Angst vor Kinderarmut schwer vereinbar war, zeigt einmal mehr den in sich widersprüchlichen Charakter der nationalsozialistischen Weltanschauung, die zu einem großen Teil primär Propagandazwecken zu dienen hatte und nicht für bare Münze zu nehmen war.

Blutiger Ernst war jedoch der Vorrang des "Heeresdienstes" vor Schule und Bildung. Nach Kriegsbeginn wurde die bereits auf acht Jahre verkürzte Oberschulzeit noch einmal verkürzt: die Schüler der letzten, nach damaliger Zählung der achten Klasse erhielten ihr Abiturzeugnis schon im November oder Dezember 1939 statt erst Ostern 1940, wenn sie sich freiwillig zur Wehrmacht oder zur Waffen-SS meldeten. In den folgenden Jahren bestand eine ähnliche Regelung. Die Prüfung fiel dann weg, das Zeugnis erhielt man auf dem Korridor, am nächsten Morgen konnte man einrücken. Von den sechs Schülern, die im Schuljahr 1939/40 von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, überlebten nur drei den Krieg.[65] Nach einer Schätzung Eversbergs von 1964 ist jeder vierte Abiturient in den Weltkriegen gefallen.[66]

Schon 1939 waren auch so viele Lehrer einberufen worden, daß der Unterricht nach den Sommerferien nicht ordnungsgemäß erteilt werden konnte. In den Schulräumen waren Mannschaften für Aufräumarbeiten und Hilfeleistungen im Falle von Luftangriffen untergebracht, und die Schüler mußten Gräben ausheben; diese Arbeit wurde jedoch bald wegen eingestandener Sinnlosigkeit wieder aufgegeben. Da der Schulleiter Dr. Birkenberg ebenfalls zu den Eingezogenen gehörte, übernahm Oberstudienrat Diehl, wie schon nach der Entlassung Dr. Watenphuls, vom 27.10.1939 bis zum 20.6.1943 die Leitung der Schule.[67]

Der militärisch bedingte Lehrermangel hatte ironischerweise eine progressive, der rückwärtsgewandten Ideologie der NSDAP zuwiderlaufende Konsequenz: Im November 1939 wurde mit Studienassessorin Maria Himmelmann zum ersten Mal in der Geschichte des Hattinger Gymnasiums eine Frau Mitglied des Lehrerkollegiums. 1940 kamen drei weitere Frauen hinzu.[68] Es gehört zu den paradoxen Erscheinungen nationalsozialistischer Politik, daß sie entgegen den erklärten Intentionen und Grundsätzen häufig Modernisierungsschübe in Gesellschaft und Wirtschaft auslöste.

Der Krieg bestimmte zunehmend auch das Leben immer jüngerer Schüler: Die HJ mußte in den Sommerferien 1940 Kriegshilfsdienst leisten, Zehnjährige wurden von 1941 an zur Bekämpfung von Waldbränden bei Luftangriffen im Wald an der Schulenburg eingesetzt, 1942 mußten alle Jugendlichen ein dreiwöchiges "Wehrertüchtigungslager" der HJ als Vorbereitung auf den Kriegsdienst absolvieren, und ein Großteil der Schüler der drei älteren Jahrgänge leistete "Reichsarbeitsdienst". Alle Schüler beteiligten sich an Sammlungen: 1943 konnten sie z.B. 5 kg Brombeerblätter für Tee und 125 kg Eisen, 1944 sogar 155 kg Brombeerblätter und 779 kg Eisen abliefern.[69]

Eine neue Qualität bekam der Kriegsdienst der Schüler 1943: Am 15. Februar wurden 17 Hattinger Schüler der Geburtsjahrgänge 1926 und 1927 als Luftwaffenhelfer zur Flak nach Bochum-Weitmar eingezogen und damit direkt in die Kriegshandlungen verstrickt. Im Sommer und Herbst folgten ihnen weitere Schüler der Jahrgänge 1927 und 1928. Die 15- bis 17jährigen Jugendlichen hatten dabei zu allem Überfluß auch noch eine schikanöse Behandlung durch ihre Vorgesetzten zu ertragen. Schulleiter Diehl, durch eine Elternversammlung alarmiert, legte dagegen schriftlich Protest ein, ein Beispiel für mutiges Eintreten für Menschenwürde in einem menschenverachtenden Regime. Auch gegenüber der Hattinger NSDAP-Leitung hatte er sich schon kritisch geäußert, und so wurde er am 20.6.1943 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Neuer Schulleiter wurde zunächst Dr. Juethe, der jedoch das Amt aus gesundheitlichen Gründen bereits am 23.8.1943 wieder abgab; bis zum März 1945 übernahm darauf Studienrat Rödding die Leitung der Schule.[70]

Schon im Mai 1943 starb der erste Hattinger Schüler, Günther Lehthaus, bei einem Bombenangriff auf seine Flakstellung in Bochum, andere wurden verletzt. Auch Hattingen litt jetzt direkt unter den Kriegsfolgen: Bombenangriffe am 13./14. Mai 1943 forderten drei Menschenleben, das Hochwasser nach der Zerstörung der Möhnetalsperre verwüstete am 17. Mai große Teile der Stadt, Schüler leisteten die Aufräumarbeiten.[71]

Zum Schutz gegen Luftangriffe wurden im Keller des Gebäudes in der Waldstraße, das die Schule im Sommer 1942 zurückerhalten hatte, zusätzliche Verstrebungen eingebaut, obwohl das freiliegende, gut sichtbare Gebäude kein typisches Ziel von Fliegerangriffen war. Das meinte zumindest die Leitung der Henrichshütte, die im Sommer 1943 ihre Verwaltungsabteilung aus dem gefährdeten Werksgelände in Klassenräume der Waldstraße verlagerte. Auf dem Schulhof standen 1945 deutsche Panzer, die die Henrichshütte reparierte.[72] Unterricht war offensichtlich nebensächlich geworden und wurde nur noch aushilfsweise erteilt.

Nach der Proklamierung des "totalen Krieges" mußten die noch nicht eingezogenen Schüler und Lehrer in der Rüstungsindustrie arbeiten.[73] Noch einmal mußte die Schule das ohnehin schon sachfremd genutzte Gebäude in der Waldstraße räumen: Vom November 1944 bis zum März 1945 diente es als HJ-Wehrertüchtigungslager, 1945 quartierten sich deutsche Truppen in der Turnhalle ein; die beiden Oberschulen, für Jungen und für Mädchen, teilten sich das Gebäude in der Bismarckstraße.[74]

Den Höhepunkt des Chaos brachte der März 1945: Am 14. und 18. März fielen 2000 Bomben auf Hattingen: die zuvor weitgehend verschont gebliebene Stadt wurde nach Schätzung Juethes zu 50 - 80% zerstört; es gab 174 Tote. Das Schulgebäude Bismarckstraße wurde von einer Bombe getroffen, das Gebäude an der Waldstraße durch das am 9. April einsetzende Artilleriefeuer auf Hattingen beschädigt: eine Außenmauer, ein Treppenaufgang, die Fensterrahmen, die Verglasung, das Dach waren zerstört. Dazu kamen Schäden durch Plünderung.

Am 13. April begann die Einnahme Hattingens durch amerikanische Truppen. Die Stadtverwaltung faßte den klugen Beschluß, Hitlers Befehle zu mißachten, und schickte den "Volkssturm" wieder nach Hause. Nur wenige Soldaten meinten, die Stadt bis zuletzt verteidigen zu müssen. Am 16. April war für Hattingen der Krieg vorbei: Die Amerikaner hatten die Stadt besetzt.[75]

 

5. Wiederaufbau und Entnazifizierung

Im Frühjahr 1945 war die Lage zu trostlos, um den "Zusammenbruch" als "Befreiung" empfinden zu können. Erst die militärische Niederlage hatte den Nationalsozialismus gestürzt; die Deutschen selbst hatten das nicht vermocht, und so war die Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft mit der Besetzung durch alliierte Truppen verknüpft.

Die Schulen in Hattingen waren geschlossen, die Lehrer vom Dienst suspendiert. Das Arbeitsamt setzte sie bei Wiederaufbaumaßnahmen und bei der Lebensmittelverteilung ein.[76] Erst am 19. Februar 1946 konnten die beiden Hattinger Gymnasien wieder eröffnet werden. Da die Schule in der Bismarckstraße noch nicht wiederhergestellt war, teilten sich Jungen und Mädchen bis 1953 das Gebäude in der Waldstraße. Lehrer des Jungengymnasiums unterrichteten auch Mädchenklassen, Lehrerinnen des Mädchengymnasiums auch Schüler des Jungengymnasiums, doch gemeinsamen Unterricht von Jungen und Mädchen gab es nicht. Selbst auf dem Schulhof sorgte eine Trennlinie dafür, daß sie gebührenden Abstand voneinander wahrten.[77]

Bei der feierlichen Eröffnung am 19.2.1946 hielt Dr. Juethe, der zum zweiten Mal die Leitung des Jungengymnasiums übernahm, die Ansprache. Dr. Juethe leitete die Schule bis zum 9.7.1947; Ostern 1948 ging er in Pension. Sein Nachfolger war Oberstudiendirektor Hahn.[78]

Am 20. Februar 1946 begann der Unterricht, allerdings unter denkbar schwierigen Bedingungen: das Gebäude war noch beschädigt, es gab nicht genug Kohlen. Dank amerikanischer Spenden war es möglich, Schulspeisungen für die Kinder zu organisieren. Am Jungengymnasium erhielten 255 Schüler die 300-Kalorien-Mahlzeiten, die in erster Linie aus Mehl und Hülsenfrüchten und Rosinen bestanden. Insgesamt wurden in Hattingen vom 23.1.1946 bis zum 31.3.1948 1.559.205 Portionen verteilt.[79]

Nur drei Lehrer des Jungengymnasiums waren von der britischen Militärregierung als politisch nicht belastet sofort zum Unterricht zugelassen worden. 1946 standen zunächst nur vier Lehrkräfte, zwei Frauen, Studienassessorin Ackermann und Dr. Hildebrandt, und zwei Männer, Studienrat Schnettler und Dr. Juethe, zur Verfügung, so daß bei 259 Schülern nur ein auf vier bis zehn Wochenstunden gekürzter Unterricht erteilt werden konnten. Eigentlich hätte man für die je acht Klassen der beiden Gymnasien insgesamt 26 Lehrer gebraucht, wie der Hattinger Bürgermeister der Provinzialmilitärregierung in Münster mitteilte.[80]

Spezielle Förderkurse ermöglichten den Schülern, die in der Oberstufe zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, in einem Jahr bei 23 Wochenstunden Unterricht das Abitur nachzuholen. Insgesamt waren die Kenntnisse der Schüler aufgrund der Kriegsbelastung äußerst dürftig. Im Verwaltungsbericht des Schulamtes heißt es: "Die sonst übliche geistige und sittliche Reife wurde, verglichen mit den Friedensjahrgängen, von den Kriegsjahrgängen nicht erreicht."[81]

Zudem scheint der Krieg sich sehr negativ auf die Disziplin der Schüler ausgewirkt zu haben. Die Protokolle der Lehrerkonferenzen berichten immer wieder von Schlägereien, sogar Messerstechereien, Vernehmungen von Schülern und verhängten Strafen.[82] Auch die Lernmotivation der Kriegsteilnehmer war zunächst gering, doch hatten einige in der Gefangenschaft wenigstens ihre englischen Sprachkenntnisse verbessert.[83]

Geschichtsunterricht fand wegen seiner ideologischen Belastung während des "Dritten Reiches" vorerst nicht statt, der Sportunterricht verlor seinen vormilitärischen Charakter.

Der Regierungspräsident Arnsberg erließ 1945 und 1946 Aufrufe zur demokratischen Erziehung, das Schulrecht der Weimarer Republik wurde wieder eingeführt, am 19.9.1947 gedachte man der Opfer des Faschismus, und auch im Unterrichtsalltag bemühte man sich, die Barbarei des Nationalsozialismus zu überwinden. "Ohrfeigen und Schimpfwörter sind zu vermeiden", erfuhren die Lehrer auf der Konferenz vom 28.8.1947.

Das Schulsystem orientierte sich weitgehend an dem der Weimarer Republik, und so wurde auch das dreigleisige Schulwesen von Volks- bzw. Hauptschule, Realschule und Gymnasium wieder aufgebaut. Von Ostern 1948 an hatten die Gymnasien wieder neun Schuljahre;[84] der von den Nationalsozialisten gesetzte Primat des Militärischen vor Bildung und Erziehung war damit aufgehoben.

Das Problem der Entnazifizierung und Demokratisierung lag zunächst in erster Linie in den Händen der Besatzungsmächte, deren erklärtes Ziel es war, den Nationalsozialismus zu zerschlagen und die Deutschen umzuerziehen. Die "Erziehungskontrollanweisung Nr. 65" untersagte alle Lehrpläne, die den Militarismus oder Nationalismus verherrlichen, den Nationalsozialismus rechtfertigen, andere Nationen oder Menschen wegen ihrer Rasse, Hautfarbe, politischen oder religiösen Überzeugung diskriminieren. Die "Erziehungskontrollanweisung Nr. 72" präzisierte diese Vorgaben für Schulbücher. Alle Lehrer mußten sich verpflichten, diesen Prinzipien entsprechend zu unterrichten.[85]

Vor ihrer Zulassung jedoch stand ein Entnazifizierungsverfahren: Sie mußten einen Fragebogen ausfüllen, den ein deutscher Entnazifizierungsausschuß prüfte und mit einer Stellungnahme an die britischen Stellen weiterleitete.[86] Dabei galt das Prinzip: "Es können unter keinen Umständen Lehrer beschäftigt werden, die eifrige und überzeugte Mitglieder der NSDAP waren oder die nationalsozialistische Ideen propagierten."[87] Der Hattinger Entnazifizierungsausschuß schrieb den Briten am 1.4.1946 folgenden Brief:

"When trying the officials, employees and teachers of the town of Hattingen there cannot be taken the same criterion in judging as generally at other places. Hattingen was the H.Q. of the Nazis. Already 1926 Hitler and Göbbels were at Hattingen... More than half of the 'alte Kämpfer`, counted in Westfalen, were at Hattingen. Considering these circumstances, it can be understood, that after 1933, here at Hattingen, there was exercised much more force on officials, employees and teachers than in other places."[88]

Eine Antwort der Briten liegt nicht vor. Die Argumentation jedenfalls ist wohl noch seltsamer als die englischen Formulierungen: Weil Hattingen eine Hochburg der Nationalsozialisten war, sollten Hattinger milder behandelt werden als die Bürger anderer Städte.

Das eigentliche Dilemma der Entnazifizierung lag darin, daß angesichts der hohen Zahl von Lehrern eine gründliche Prüfung jedes Einzelfalls unmöglich war oder jahrelang gedauert hätte. Zunächst sind in der Britischen Zone immerhin 16000 Lehrer, d.h. 24,3%, vom Dienst suspendiert worden.[89] Deshalb stellte man praktikable, mechanisch anwendbare Kriterien auf, nach denen Lehrer u.a. nicht wieder eingestellt werden sollten, wenn sie vor dem 1.4.1933 Mitglieder der NSDAP geworden waren, jemals das Amt des HJ-Vertrauenslehrers bekleidet hatten, Mitglieder der SS gewesen waren oder in der Waffen-SS oder SA Ämter vom "Sturmbannführer" an aufwärts bekleidet hatten.[90]

Am Hattinger Jungengymnasium wurden daraufhin zwei Lehrer definitiv entlassen: erstens der Schulleiter, der 1932 der Partei beigetreten war, und zweitens der bereits genannte, von ehemaligen Schülern als "harmlos" eingeschätzte Kunstlehrer, der 1927 NSDAP-Mitglied geworden war. Der weit mehr belastete Sportlehrer dagegen konnte den Unterricht wiederaufnehmen, weil er "erst" im Mai 1933 Parteigenosse geworden war.[91] Das Problem wird deutlich: Das Datum des Parteieintritts ist kein zuverlässiges Kriterium zur Unterscheidung zwischen wirklich überzeugten, vielleicht schuldig gewordenen Nationalsozialisten und vergleichsweise harmlosen Mitläufern.

Den Schulleiter betraf das Verdikt übrigens nicht, da ihn ein weit schlimmeres Schicksal ereilt hatte: Er war in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten und zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden; erst 1956 kam er frei. Er kehrte zunächst als stellvertretender Schulleiter nach Hattingen zurück. Nach dem Tode Oberstudiendirektors Hahn 1961 wurde Dr. Birkenberg noch einmal Schulleiter. Er starb 1963.[92] Sein Lebenslauf ist nicht nur von individuellem Interesse, sondern veranschaulicht exemplarisch Brüche und Kontinuitäten der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Die anderen Lehrer wurden nach und nach wieder in den Schuldienst eingestellt, wenngleich sich ihr Überprüfungsverfahren in einigen unklaren Fällen noch bis 1949 hinzog. Ein zuverlässiges Urteil über Schuld oder Unschuld war damit nicht abgegeben. Das Entnazifizierungsverfahren hat zweifellos Unschuldige getroffen, sicherlich noch mehr schuldig Gewordene wieder in Amt und Würden eingesetzt. Es ist letztlich gescheitert und wurde von den deutschen Stellen nach und nach aufgegeben, wie der folgende Überblick für das Schulwesen unserer Region zeigt:

1947 beschloß der nordrhein-westfälische Landtag, entnazifizierte Lehrer, die "aktive, werbende Nazis" waren, an einer anderen Schule als zuvor einzustellen. Am 31.5.1947 erklärte der Kultusminister, der Schulwechsel sei nicht notwendig, wenn sie nur "unwichtige Ämter" innegehabt hatten. Am 24.6.1947 heißt es ergänzend, nur "besonders stark in der Propaganda hervorgetretene Lehrpersonen" sollten "versetzt bzw. ausgetauscht" werden. Am 7.11.1947 gab der Kultusminister Nordrhein-Westfalens zu bedenken, ob man nicht nationalsozialistisch belastete Schulleiter entgegen der Entnazifizierungsregel wieder in ihrer ehemaligen statt in einer niedrigeren Position einstellen könne, um Geld zu sparen. Eventuell müsse man sie sonst wie Schulleiter bezahlen, obwohl sie eine eigentlich geringer besoldete Tätigkeit ausübten.

Am 26.5.1950 erschien ein Entnazifizierungserlaß des Innenministers, der aber am 16.10.1950 durch einen Erlaß mit dem Titel "Politische Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Grundordnung" überholt wurde: Er nannte 13, davon neun linksorientierte, Organisationen, die Beamte und andere öffentlich Bedienstete nicht unterstützen durften.[93]

Damit spätestens war die Entnazifizierung beendet; die größere Gefahr vermutete man jetzt links.

 

6. Die "langen fünfziger Jahre"[94]

Für viele Menschen ging die unmittelbare Nachkriegszeit mit der Währungsreform von 1948 zu Ende. Sie hatte zwar nicht die entscheidende Bedeutung für das westdeutsche "Wirtschaftswunder", die ihr oft zugeschrieben wird; daß aber anscheinend von einem Tag auf den anderen lange gehortete Waren in den Geschäften auftauchten, machte einen unvergeßlichen Eindruck. Für andere begannen die fünfziger Jahre vielleicht "erst" 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik, den ersten Bundestagswahlen, der Verabschiedung des Grundgesetzes, obwohl die politischen Vorentscheidungen dafür bereits in den zwei vorhergehenden Jahren gefallen waren.

Die "fünfziger Jahre" waren die Zeit des "Wirtschaftswunders", des "Kalten Krieges", der Westintegration der Bundesrepublik, des Wiederaufbaus, der Wiederaufrüstung, der Verfestigung der deutschen Teilung, der ersten großen Massenkonsumwellen. Sie endeten erst spät in den sechziger Jahren. Die Rezession von 1966, die Große Koalition von CDU und SPD, die von der antiautoritären Studentenbewegung ausgelöste "Kulturrevolution", die Reformwelle in Staat und Gesellschaft markierten einen deutlichen Einschnitt. Im pädagogischen Bereich gingen die langen fünfziger Jahre mit der Oberstufenreform und der Bildungsexpansion in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zu Ende.

1950 hatte sich in Hattingen das Leben allmählich wieder normalisiert. Zwar fühlte sich die Stadt noch verpflichtet, jedem städtischen Arbeiter, Angestellten oder Beamten ein Darlehen von 40 oder 50 DM für die Einkellerung von Kohlen oder Kartoffeln zu zahlen, das in sechs Monatsraten getilgt werden konnte,[95] 1952 jedoch rief das Rote Kreuz bereits die Schüler des Ruhrgebiets auf, Weihnachtspakete in die "Notstandsgebiete" zu schicken: nach Bayern, Berlin, an die "Zonengrenze".[96] Bald stieg auch der Lebensstandard in Bayern, nicht zuletzt dank der Hilfe aus dem Ruhrgebiet, und so gingen die Weihnachtspakete vor allem in die noch "Ostzone" oder "SBZ" genannte DDR. Die "Schülermitverantwortung" (SMV) organisierte den Versand; 1956 z.B. waren es 92, 1961 160 Pakete.[97]

Der wirtschaftliche Aufschwung zeigte sich auch darin, daß das Land Nordrhein-Westfalen 1956 die Schulgeldfreiheit einführte.[98] Die Ausstattung der Schulen verbesserte sich anscheinend nur langsam; noch 1953 beschwerte sich ein Kunstlehrer leidenschaftlich beim Hattinger Schulamt über die "katastrophalen Umstände", unter denen er arbeiten müsse, andererseits war immerhin schon 1950 ein Kopiergerät für die Foto-AG angeschafft worden. 1958 wurden nach einem kritischen Artikel in der Schülerzeitung "Diagonale" die Toiletten renoviert und eine neue Turnhalle gebaut, 1959 erhielt das Gymnasium an der Waldstraße neue Chemieräume, die bis 1987 nahezu unverändert blieben, und 1960 wurde die Physiksammlung erstmals mit atomphysikalischen Geräten ausgestattet.[99]

Musiklehrer war von 1948 bis 1954 Otto Daube, der zahlreiche Werke über Musikpädagogik und -geschichte verfaßte, mit Hans Holländer die Städtische Singschule Hattingen gründete und als zweiter Vorsitzender des Arbeitskreises für Schulmusik Fortbildungsveranstaltungen für Musiklehrer leitete[100]. Studienrat Hillebrandt rief 1958 Chor und Orchester wieder ins Leben; heute werden beide von Studiendirektor Deis geleitet. 1959 baute Studienrat Hasenpath eine Schülerruderriege auf.[101] Erst 1964, anläßlich des 50jährigen Jubiläums, ließ die Stadt den Schulhof asphaltieren und eine noch aus der Zeit der SA-Einquartierung stammende Busgarage abreißen.[102]

Von 1954 an brauchten sich Jungen- und Mädchengymnasium nicht mehr die Schule an der Waldstraße zu teilen. 1953 war das Gebäude des Mädchengymnasiums fertiggestellt, und die Mädchen zogen am 18./19. Dezember 1953 von der Waldstraße in die Bismarckstraße.[103] Nachdem 1978 das Schulzentrum Holthausen errichtet worden war, wurde das Gebäude Bismarckstraße abgerissen.

Schon im Schuljahr 1949/50 konnte in allen Klassen wieder voller Unterricht erteilt werden, und 1952 gab es zum ersten Mal nach dem Krieg zwei Sexten. 1959/60  war das Gymnasium bis auf die Klassen IV und OI zweizügig, und 1961 machten zum ersten Mal wieder zwei Oberprimen das Abitur: 29 der 31 Kandidaten bestanden die Prüfung.[104] Schulleiter waren Oberstudiendirektor Hahn von 1947 bis 1961 und Dr. Birkenberg von 1961 bis zu seinem Tode 1963. Danach leitete Dr. Kannegießer kommissarisch die Schule, bis 1964 Dr. Strehlke als Oberstudiendirektor nach Hattingen kam.

Die Eltern, bereits seit 1947 in Elternpflegschaften auf Klassenebene organisiert, erhielten 1951 mit der Schulpflegschaft ein Gremium, das ihnen die Mitwirkung auf Schulebene ermöglichte.[105] Die zur Einbeziehung der Schüler 1954 geschaffene SMV, d.h. bis 1959 "Schülermitverantwortung", danach "Schülermitverwaltung", gibt es an der Waldstraße seit 1956.[106] Alois Bach, der in Hattingen 1934 das Abitur gemacht hatte, jedoch als Leiter einer katholischen Jugendgruppe im "Dritten Reich" nicht hatte studieren dürfen und deswegen erst 1952 sein Examen ablegen konnte, wurde Beratungslehrer. Von 1955 bis 1982 war er Lehrer an der Waldstraße.[107]

Anfangs war durchaus nicht allen Lehrern klar, wozu die SMV dienen sollte. Oberstudienrat Rödding beklagte z.B. 1958 in der Schülerzeitung "Diagonale", "daß die meisten Schüler nicht wüßten, daß die Schülermitveranwortung zur Unterstützung der Lehrer dient, sondern glaubten, über sie Forderungen durchsetzen zu können. Der Zweck der Schülermitverantwortung liege im Beeinflussen der Schüler zum Guten, ganz besonders im Sinne der Disziplin und Pflege der Kameradschaft."[108]

Die in der SMV engagierten Schüler sahen zunächst einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darin, Sportveranstaltungen, vor allem Fußballturniere, Schachturniere, Filmvorführungen, Foto-Arbeitsgemeinschaften, Briefmarkenbörsen, verbilligte Theaterbesuche in Bochum und Schulfeste zu organisieren und Weihnachtspakete in die DDR zu schicken. Daneben übten sie jedoch auch ein "politisches Mandat" aus, das ihnen erst entzogen wurde, als die SMV bzw. SV sich unter dem Eindruck der antiautoritären Studentenbewegung radikalisierte und das politische Engagement in eine den Landesregierungen unerwünschte Richtung, nach links, tendierte. Jedoch nahm niemand Anstoß daran, daß die SMV im Namen der Schüler Stellungnahmen zur Deutschlandpolitik abgab oder die Niederschlagung des Ungarnaufstandes 1956 durch die Sowjetunion verurteilte.[109]

Die SMV richtete zwar "Meckerstunden" für die Schüler ein, doch echte Mitwirkungsfunktionen hatte sie nicht. Studiendirektor Willhardt schätzt sie im Rückblick bis zum Ende der sechziger Jahre "eher als Spielzeug" ein.[110]

Daß in der Schülerschaft traditionell-nationalistisches Denken und politische Rechtslastigkeit bis hin zu martialischer Intoleranz verbreitet waren, zeigt eine Analyse der Schülerzeitung "Diagonale", deren erste Ausgabe im März 1958 erschien.[111] 1962 z.B. schrieb ein Untersekundaner in einem Beitrag über Berlin:

"Von Ostberlin kann man zum Schluß sagen, daß es ein fauler Flecken im Weltapfel ist. Man muß den Flecken ausschneiden; doch bevor das getan wird, muß gut erwägt werden, welches Messer man benutzen muß. Scharfe Messer sind gefährlich, doch stumpfe Messer sind noch gefährlicher."

In derselben Ausgabe sprach sich ein Schüler für die Wiedereinführung der Todesstrafe aus: "Die Sicherheit des Volkes ist wichtiger als alles andere."[112]

Ein Jahr später äußerte sich zum ersten Mal in der "Diagonale" ein Schüler der Unterprima über die "Beatles". In seinem "Es lebe der Wahnsinn" überschriebenen Artikel sprach er von "krankhaften Auswüchsen", bezeichnete die Beatles als "Abschaum", ihre Musik als "heiseres, ekstatisches Gekrächze". Im folgenden Heft lehnte ein Schüler die Entwicklungshilfe ab: man solle das Geld lieber in Deutschland, z.B. für den Ausbau des Verkehrsnetzes investieren.[113]

Immer wieder finden sich in den Schülerzeitungen antikommunistische Witze. Einer, in dem nach dem Unterschied zwischen Faschismus und Kommunismus gefragt wird, sei exemplarisch zitiert:

"Faschismus: Du hast zwei Kühe. Der Staat requiriert sie und erlaubt Dir, die entrahmte Milch zu kaufen. Kommunismus: Du hast zwei Kühe. Der Staat nimmt sie Dir ab und läßt Dich erschießen."[114]

Der "Witz" ist zwar nicht sehr lustig, die Botschaft aber klar: Der Kommunismus wird als weit schlimmer dargestellt als der Faschismus, der Nationalsozialismus implizit verharmlost. Das muß nicht die bewußte Absicht der jugendlichen Redakteure gewesen sein, reflektiert aber um so klarer den vorherrschenden "Zeitgeist".

Als das Schulkollegium Münster 1959 einen Bericht der Schulen über den Stand der "politischen Bildung und Erziehung" anforderte, erklärte der Schulleiter unter Beifügung von Gutachten des Geschichts-, Geographie- und Verbindungslehrers:

"Die schwierige Aufgabe, die junge deutsche Demokratie in den Herzen unserer Schüler allmählich Platz finden zu lassen, ist durch vereinte Arbeit des gesamten Kollegiums, der Schülermitverwaltung sowie der Schulgemeinde bereits zu einem erfreulichen Teile gelungen."[115]

Tatsächlich gab es, unmerklich zunächst, dann stärker hervortretend, kritische Gegenströmungen. Schülermützen als Uniformierung für Gymnasiasten lehnten die meisten Schüler 1958 ab. Neue Musik, 1958 der Jazz, 1964, ein Jahr nach der oben zitierten Verdammung, dann auch der Beat, wurde in der Schülerzeitung vorgestellt und positiv bewertet. Der Artikel gegen die Entwicklungshilfe traf auf Widerspruch, Sartres Philosophie und Hochhuths Drama "Der Stellvertreter", das das Verhalten des Vatikans in der Zeit des Nationalsozialismus anklagt, fanden Interesse.[116] 1962 wagte man sogar, Kritik an der intensiven Bundeswehrwerbung in der Schule zu üben: In den Schülerratssitzungen vom 20.11.1962 und 10.9.1963 beschwerten sich Schüler darüber, daß Bundeswehrfilme in der Schule gezeigt wurden. Andererseits enthielten die Schülerzeitungen noch bis 1968 regelmäßig Werbung der Bundeswehr.[117]

Das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern wird von den Beteiligten nachträglich sehr unterschiedlich gewertet. Der Unterricht war ganz überwiegend Frontalunterricht, d.h. der Lehrer dozierte, die Schüler waren passiv. Sie sollten Wissen aufnehmen, nicht Erkenntnisse  erarbeiten oder gar diskutieren. Die Disziplin der Schüler soll, so meinen manche sich zu erinnern, vorbildlich oder jedenfalls besser als heute gewesen sein.

Die Geschichtswissenschaft mißtraut solchen Erinnerungen: sehr oft sind sie nämlich geschönt, verklärt, Negatives ist vergessen oder verdrängt, die alte Zeit wird so unversehens zur guten und schönen. Die schriftlichen Quellen zeichnen in der Tat ein anderes Bild. Da gibt es auch aus den fünfziger Jahren Berichte von Schülerverhören, weil die Wände der Klassenzimmer verschmutzt waren, und Klagen über Zerstörungen des Mobiliars, Schmierereien, "Vandalismus".[118]

Doch macht man es sich andererseits auch zu einfach, wenn man sagt, die Klagen über die Disziplin der Schüler seien so alt wie die Schule selbst und deshalb nicht ernstzunehmen. Studiendirektor Ostheide, bis 1958 Schüler und seit 1968 Lehrer des Gymnasiums Waldstraße, gibt eine differenziertere Einschätzung: das äußere Erscheinungsbild der Schüler habe damals den Eindruck besserer Disziplin vermittelt. Gerades Sitzen, Aufstehen, Grüßen waren selbstverständlich, während heute zwischen Schülern und Lehrern ein eher lockerer Umgangston herrsche.[119] Das läßt sich an einem Beispiel verdeutlichen: 1962 bestand der Schulleiter Dr. Birkenberg in einer Schülerratssitzung darauf, daß ein Lehrer nicht mit seinem Namen, sondern mit seinem Titel zu grüßen sei.[120]

Unter der Oberfläche der Umgangsformen jedoch sei - so Ostheide - das Verhältnis zwischen den Schülern und zwischen Schülern und Lehrern in den fünfziger Jahren von größerer Brutalität bestimmt gewesen; heute sei die Atmosphäre besser, das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern menschlicher. Gespräche mit ehemaligen Schülern bestätigen Ostheides These: das zynische "Fertigmachen" von Schülern und die systematische Anwendung der Prügelstrafe einerseits, gewalttätige und humorlose Schüler"streiche" und "Racheakte" andererseits waren keine Seltenheit.[121]

Manche Lehrer in den fünfziger Jahren fühlten sich auch außerhalb des Unterrichts dazu berufen, das Verhalten ihrer Schüler zu kontrollieren. Ein Lehrer z.B. durchstreifte Hattinger Gaststätten und Cafés auf der Suche nach Schülern, um sie dann hinauszuwerfen oder den Eltern zu melden.[122] Ingeborg Haack, die selbst als Schülerin des Mädchengymnasiums bis 1953 "an der Waldstraße" war, erinnert sich, daß händchenhaltende Paare auf dem Weg zur Tanzstunde von Lehrern zur Ordnung gerufen wurden; die eine sollte auf dem Bürgersteig, der andere in der Gosse gehen. Das sei der gebührende Abstand.[123]

Schulpolitisch stand in Hattingen bereits 1950 eine wichtige Grundsatzentscheidung an: Ein Erlaß des Kultusministers mit neuen Stundentafeln ließ die alte Form des "Realgymnasiums" nicht mehr zu. Unter Eltern und Lehrern erhoben sich laute Proteste dagegen, daß ein "mathematisch-naturwissenschaftliches" Gymnasium kein Französisch mehr anbieten konnte. Das Schulkollegium Münster wies jedoch alle Anträge Hattingens auf eine Ausnahmegenehmigung zurück und ließ Französisch nur als Wahlfach in der Oberstufe zu. Der Schulausschuß beschloß schließlich am 18.4.1950, unsere Schule zum  mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium mit Anfangssprache Englisch zu machen.[124]

1961 trat eine Abiturreform in Kraft, die die Zahl der Pflichtfächer in den Primen von 12 bis 13 auf neun, die der Prüfungsfächer auf sechs verringerte und den Schülern mehr Wahlmöglichkeiten einräumte. Die "Westfälische Rundschau" zitiert als Wunsch vieler Eltern, daß "endlich mal Schluß gemacht wird mit den ewigen Experimenten an höheren Schulen".[125] Daß jemand 1961 meinen konnte, es habe zu viele Schulreformen gegeben, mutet aus heutiger Sicht fast komisch an; tatsächlich jedoch wurden ähnliche Auffassungen bei fast jeder Veränderung laut, ganz unabhängig vom Inhalt der Reform.

Als 1963 an der Waldstraße ein neusprachlicher Zweig von Stufe 9 an eingerichtet wurde, hieß die Schule "Städtisches mathematisch-naturwissenschaftliches und neusprachliches (i.E.) Gymnasium in Hattingen (Ruhr)". Es ist verständlich, daß die Schule 1964, anläßlich ihres 50. Jubiläums, nach einem anderen Namen suchte; zur Debatte standen schließlich "Leibniz-Gymnasium" und "Freiherr vom Stein-Gymnasium". Die Stadt jedoch lehnte beide Vorschläge ab. Sie zahlte aber einen Zuschuß von 4700 DM zu den Jubiläumsfeierlichkeiten, die fünf Tage lang, vom 24. bis zum 28. Juli, dauerten.[126] 1967 scheiterte eine Initiative, die Schule nach Albert Einstein zu benennen, am Einspruch der Nachlaßverwalter Einsteins.[127]

Bei allen schulpolitischen Veränderungen blieb ein Problem ungelöst, verschärfte sich sogar aufgrund steigender Schülerzahlen: das des Lehrermangels. Es stellt einer Einschätzung Studiendirektor Willhardts zufolge geradezu ein Element der Kontinuität im Schulleben dar, nur daß eben die Ursachen unterschiedlich waren:[128] erst waren es Krieg, Gefangenschaft und Entnazifizierung, in den fünfziger und sechziger Jahren gab es einfach nicht genug ausgebildete Lehrer, und heute ist es die Sparpolitik der Regierungen.

1963 fehlten in der Bundesrepublik etwa 10.000 Lehrer; für 1970 errechnete man aufgrund steigender Schülerzahlen und ungünstiger Altersstruktur der Lehrer ein Defizit von 50.000. 1964 wurden Volksschullehrer vom Wehrdienst befreit, um dem Lehrermangel abzuhelfen, und intensive Werbung für den Beruf führte dazu, daß ein Drittel der Abiturienten Lehrer werden wollte. "Erfreulich" nannte man das 1964, mußte aber trotzdem feststellen, daß die Bundesrepublik schulstatistisch "am untersten Ende der europäischen Länder" rangierte.[129] Im selben Jahr wurden im Ennepe-Ruhr-Kreis 22 in einem einjährigen Kurs ausgebildete Hilfskräfte als Lehrer eingestellt, vier davon in Hattingen. Nach dem nordrhein-westfälischen Kultusminister Mikat nannte man sie "Mikätzchen". Fast jeder Lehrer mußte Überstunden geben, und viele unterrichteten in Fächern, die sie gar nicht studiert hatten. Zudem blieben Lehrer im Dienst, die eigentlich die Altersgrenze für ihre Pensionierung erreicht hatten. Dennoch hatte sich der Lehrermangel 1965 verschärft. Nach den Abiturienten-, Studenten- und Lehrerzahlen von 1966 war die Bundesrepublik das "Bildungsschlußlicht" der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.[130]

Dann jedoch begann eine Zeit euphorischer Bildungsexpansion: 1968 wollten 43,5% von 4000 befragten Abiturienten aus dem Ruhrgebiet Lehrer werden.[131] Die "langen fünfziger Jahre" gingen auch für die Schulen endgültig zu Ende.

 

7. Entwicklungen und Tendenzen der letzten zwei Jahrzehnte

Die Rezession von 1966 erschütterte den Glauben der Westdeutschen an wirtschaftliche Stabilität und wachsenden Reichtum. Der breite Konsens über die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik wurde brüchig.[132] Bundeskanzler Erhard wurde gestürzt, CDU/CSU und SPD bildeten eine große Koalition. Eine außerparlamentarische Opposition, die in erster Linie von Studenten getragene APO, verlangte radikale Veränderungen zuerst an der Hochschule, dann in Gesellschaft und Politik. Schon 1967 erreichte sie auch die Schulen.

"Die Schüler sind in unserer Gesellschaft eine unverhältnismäßig rechtlose, unterdrückte und von nicht demokratischen Instanzen abhängige Gruppe! Abhängig sind sie von der Schule, die keinen demokratischen Geist atmet, und vom Elternhaus, das uns Schülern gegenüber alle Repressalien in der Hand hat."[133]

So zitierte die Schülerzeitung "Diagonale" kommentarlos eine programmatische Verlautbarung des USSB, des "Unabhängigen Sozialistischen Schülerbundes". Anlaß war der erste Kongreß des "Aktionszentrums Unabhängiger und Sozialistischer Schüler" (AUSS) in Frankfurt am 17. und 18. Juni 1967. In einer Schülerratssitzung distanzierte sich die SMV des Gymnasiums Waldstraße von den meisten Forderungen des AUSS; lediglich die Kritik an der Machtlosigkeit der SMV, die allenfalls Teil einer "Sandkastendemokratie" sei, fand Zustimmung.[134]

Dennoch erreichte der antiautoritäre Protest Hattingen noch im selben Jahr: Die SMV formulierte am 19.9.1967 den Wunsch, gemeinsam mit Schülerinnen des Mädchengymnasiums Diskussionen über "sexualethische Fragen" abzuhalten. Der Kampf gegen "sexuelle Repression" galt im Zuge der Wiederentdeckung Wilhelm Reichs durch die Studentenbewegung als Bedingung politischer Befreiung. Zwischen Weihnachten 1967 und Neujahr 1968 wurden politische Parolen auf die Wände des Schulgebäudes, der Turnhalle und des Kriegerdenkmals gemalt: "Viet Kong Viet Nam", "Liebt keinen Krieg", "Notstand, Griechenland? Nein!", "Vietnam, Hitler wie 1933" und "Hier müßt ihr denken, an dieser Stätte".[135] Ohne Kenntnis des historischen Kontextes sind einige dieser Parolen kaum verständlich. Sie protestierten gegen die Einmischung der USA in den Vietnamkrieg, die Militärdiktatur in Griechenland und die Verabschiedung von Notstandsgesetzen im deutschen Bundestag.

1968 ist in erster Linie aufgrund des gemeinsamen Aufstandsversuches von Studenten und Arbeitern in Paris zum Symboljahr geworden. Eine Analyse der 1968 erschienenen 20. Ausgabe der Schülerzeitung "Diagonale" ergibt ein sehr zwiespältiges Bild. Ein Artikel zum Vietnamkrieg rechtfertigte die Intervention der USA, ein anderer warf der französischen Studentenbewegung "rein politisches Engagement" und "Radau" vor, ein dritter kritisierte die Enzyklika des Papstes Paul VI., die Katholiken die "Antibaby-Pille" verbot, und ein vierter forderte unter Drohung mit den "Methoden der Studentenbewegung" eine Schulreform: mehr Diskussionen und Arbeitsgruppen, eine Schiedsstelle bei Meinungsverschiedenheiten um Zensurengebung, eine hochschulähnliche Oberstufe.[136] Artikel für und gegen die Autoritäten in Politik, Kirche und Schule, das "Establishment", hielten sich die Waage.

1969 finden sich zwar auch einige politische Artikel, doch überwiegen Beiträge über Themen wie Haschisch, die Bee Gees, Jimi Hendrix, Oswalt Kolle oder Peter Handke.[137] Die Hattinger WAZ meinte, die "Diagonale" sei der Schule gegenüber unkritisch, und die "Westfälische Rundschau" sprach vom "Schülerwinterschlaf" der "Diagonale".[138] Das Gymnasium Waldstraße war nicht gerade ein Zentrum der APO, doch unberührt von der antiautoritären Bewegung blieb es nicht. Die SMV bildete im Mai 1969 einen "Ausschuß für Unterrichtsgestaltung", der vorschlug, die Zensuren in Sport, Handschrift, Betragen und Fleiß abzuschaffen, Religion in der Oberstufe nur noch als Arbeitsgemeinschaft anzubieten, den Philosophieunterricht auszuweiten und eine Wochenstunde für die Diskussion aktueller politischer Fragen freizuhalten. Den Abiturienten 1969 erklärte der stellvertretende Schulsprecher, die Feierlichkeiten zur Reifeprüfung dürften künftig nicht mehr so altmodisch-steif sein; jedenfalls wünschte er ihnen Glück, "ganz gleich, ob ihr zur Bundeswehr oder zur APO geht."[139] Als die "Diagonale" 1970 einen ironischen Artikels über den "Werdegang eines Katholiken" und eine kapitalismuskritische Parodie "Kapital unser" veröffentlichte, wurde ihr Verkauf auf dem Schulgelände untersagt.[140]

Ein ironisches Glanzlicht setzte 1969 die bereits 1966 auf einer Berlinfahrt gegründete "Oberprima-Schutz-Gewerkschaft", deren 23 Mitglieder, mittlerweile Studenten, zu einer "sozialistischen Antiweihnacht" aufriefen. Ihr Anliegen sei es, "das Niveau des Festes noch ein wenig anzuheben". Den Weihnachtsbaum krönten sie zu diesem Zwecke auf einer Zeichnung mit einer geballten Faust, und ihr Weihnachtsgruß hieß:

"Geht man schön in die Kirche, hört einen fortschrittlichen Hirtenbrief über die Pille und christliche Ehe. Und wenn ihr wieder draußen seid, emanzipiert euch mal schön!"[141]

Die antiautoritäre Bewegung erreichte zwar die selbstformulierten Ziele nicht, revolutionierte jedoch die bundesrepublikanische Alltagskultur: Umgangsformen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen verloren ihre autoritäre Prägung, die bestehenden Haarschnitt- und Kleiderordnungen lösten sich auf, Kritik zu üben verlor den Ruch des Ungehörigen, Vaterlandslosen. Selbst die konservativsten Schüler von 1989 stehen in der Nachfolge der "Achtundsechziger", auch wenn sie sich von deren politischen Zielen noch so entschieden distanzieren. Die Lehrer treten weniger autoritär auf, Hausmeister und Sekretärinnen sind hilfsbereiter und weniger distanziert, als es "vor 1968" üblich war.[142]

Zudem verlieh der antiautoritäre Protest der seit Mitte der sechziger Jahre intensiv geführten Diskussion um eine Neugestaltung des Bildungswesens ungewöhnliche Dynamik. Die für die Gymnasien wichtigste Reform war die "Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II" der "Ständigen Konferenz der Kultusminister" von 1972, der 1977 die Beschlüsse "zur einheitlichen Durchführung" dieser Vereinbarung folgten.

Die Gymnasien wurden enttypisiert, d.h. es gab keine mathematisch-naturwissenschaftlichen, alt- oder neusprachlichen Schulen mehr. Stattdessen wurden alle Schulfächer außer Religion und Sport drei "Aufgabenfeldern" zugeordnet: dem sprachlichen und literarisch-künstlerischen, dem gesellschaftswissenschaftlichen und dem mathematisch-naturwissenschaftlichen. Für die Schüler gibt es seitdem zunehmend komplizierter definierte Wahl- und Pflichtbereiche, innerhalb derer sie zwei Leistungskurse mit je sechs Wochenstunden und in der Regel sechs Grundkurse mit je drei Wochenstunden belegen. Diese Kurse ersetzten in der Oberstufe den Klassenverband, und für jeden Schüler ergibt sich ein individueller Stundenplan, der auch Freistunden enthält. Mit Sozialwissenschaften und Pädagogik fanden neue Fächer Eingang in das Angebot, die Verwissenschaftlichung der Lerninhalte sollte eine bessere Vorbereitung auf das Studium gewährleisten. Der Unterricht wurde systematischer, induktive Methoden wie Textarbeit und Schülerexperiment gewannen an Bedeutung. Für alle Fächer traten seit Ende der siebziger Jahre neue Richtlinien oder "Vorläufige Richtlinien" in Kraft.

Das Gymnasium Waldstraße führte die Oberstufenreform 1975 ein. Zugleich erhielt es seinen jetzigen Namen: "Gymnasium Waldstraße. Städtisches Gymnasium für Jungen und Mädchen". 1977 fand zum letzten Mal das Abitur nach altem Muster, mit einer Prüfung vor dem gesamten Lehrerkollegium, statt.

Die Gesamtschule, deren Vor- und Nachteile meist politisch, nicht pädagogisch diskutiert wurden, ersetzte nicht die drei anderen Schulformen, wie manche ihrer Verfechter es ursprünglich gedacht hatten, sondern trat seit Ende der sechziger Jahre als vierte neben Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Der Versuch der nordrhein-westfälischen Landesregierung, für die Altersstufen 5 und 6 das dreigliedrige Schulsystem aufzuheben und stattdessen eine "kooperative" Gesamtschule einzuführen, scheiterte 1977 an dem in einem Volksbegehren kulminierenden Widerstand großer Teile der Bevölkerung. Die Klassen 5 und 6 gelten nun am Gymnasium als einheitliche Erprobungsstufe, innerhalb der keine Versetzung stattfindet.

Bereits seit 1965 war schrittweise die Aufnahmeprüfung für Sextaner abgeschafft worden.[143] Ebenfalls seit 1965 besteht in Stufe 7 die Wahlmöglichkeit zwischen Latein und Französisch als zweiter Fremdsprache. In den Klassen 9 und 10 wurden 1973 vier Wochenstunden zum "Differenzierungsbereich", in dem die Schüler entweder eine dritte Fremdsprache oder zwei Kurse in anderen Fächern wählen können.

1966 und 1967 verschoben zwei Kurzschuljahre den Schuljahresbeginn von Ostern auf die Zeit nach den Sommerferien. Damit paßte sich die Bundesrepublik der Regelung in den meisten anderen europäischen Ländern an. Das Lehrmittelfreiheitsgesetz vom 18.12.1973 sollte es finanzschwachen Familien erleichtern, ihre Kinder auf weiterführende Schulen zu schicken. Als seit 1975 die staatlichen Mittel knapp wurden, ging man dazu über, Schulbücher mit Ausnahme der jahrelang genutzten Atlanten nicht mehr zu übereignen, sondern auszuleihen.

1978 regelte das Schulmitwirkungsgesetz die Kompetenzen der Gremien aus Schülern, Eltern und Lehrern; die Schulkonferenz, zur Hälfte aus Lehrervertretern, zu je einem Viertel aus Schüler- und Elternvertretern bestehend, wurde das höchste Entscheidungsgremium der Schule. Die SMV wurde in SV, "Schülerverwaltung", umbenannt. Die "Allgemeine Schulordnung" (ASchO) faßte die wichtigsten rechtlichen Bestimmungen für das Schulleben zusammen.

Spätestens seit dem Koedukationserlaß des Kultusministers Mikat 1965 stand die Frage zur Diskussion, ob auch Mädchen das Gymnasium Waldstraße besuchen sollten. Frühere Vorstöße waren bereits im Anfangsstadium der Überlegungen gescheitert. 1950, anläßlich der oben beschriebenen Debatte nach der Abschaffung des Typus 'Realgymnasium`, hatten sich die Mütter der Schülerinnen gegen die Koedukation ausgesprochen, und 1958 meinte Dr. Birkenberg, am Jungengymnasium "würde das kameradschaftliche Verhältnis und der 'richtige Ton` zwischen Lehrer und Schüler mit Rücksicht auf die Weiblichkeit leiden".[144] Auch als Schulleiter lehnte er den gemeinsamen Unterricht von Jungen und Mädchen ab, wie Studiendirektor Willhardts anekdotischer Beitrag zeigt.

Am 10.12.1965 stand dann das Thema auf der Tagesordnung der Hattinger Stadtvertretung. Stadtdirektor Augstein warf die Frage auf, ob man Jungen- und Mädchengymnasium zusammenlegen solle. Die Leiterin des Mädchengymnasiums, Oberstudiendirektorin Liebing, begrüßte den Vorschlag. Dr. Strehlke sprach sich grundsätzlich für die Koedukation aus, betonte aber zugleich seine Skepsis gegenüber einer deutlichen Vergrößerung der Schülerzahl; "Mammutsysteme" lehnte er ab. Schülerinnen erklärten Journalisten der "Heimat am Mittag", sie seien dafür: "Vielleicht finden wir die Jungen aus der Nähe betrachtet nicht mehr ganz so dumm!" Die Jungen waren sich nicht einig. Einer erwog höchst nüchtern: "Wenn Mädchen in der Klasse sind, bedeutet das für uns Ansporn zum Lernen." Ein anderer befürchtete: Mädchen "zerstören jedes Gemeinschaftsleben in der Klasse"; ein Obersekundaner hielt ihm jedoch entgegen: "Wir könnten uns besser kennenlernen." Das fände er "prima".[145]

Zusammengelegt wurden die beiden Schulen jedoch nicht. Jede für sich führte die Koedukation ein, das Gymnasium Waldstraße 1972, so daß der erste gemischte Jahrgang 1981 das Abitur ablegte. Es scheint, daß sich die Mädchen in der Regel am ehemaligen Jungengymnasium ganz wohl fühlen und sich als gleichberechtigt empfinden. Die in Schüler- und Abiturientenzeitungen manchmal als "Stilblüten" abgedruckten frauenfeindlichen Äußerungen einiger Lehrer und Schüler sind wohl die Ausnahme.[146]

Die beiden Gymnasien kooperieren heute in der Oberstufe: es gibt gemeinsame Kurse in Fächern wie Russisch, Kunst, Sport und Pädagogik. 1985 nahmen zum ersten Mal Schüler des Gymnasiums im Schulzentrum Holthausen an einem Kurs des Gymnasiums Waldstraße, einem Leistungskurs im Fach Geschichte, teil.

Ebenso wichtig wie all diese Reformen war der Anstieg von Schüler- und Lehrerzahlen, den die hier veröffentlichten Graphiken deutlich zeigen. Das Aufwachsen geburtenstarker Jahrgänge, erste Erfolge einer Politik, die die Bildungschancen sozial schwächerer Bevölkerungsgruppen steigern wollte, und die Bildungs- und Reformeuphorie der späten sechziger und der siebziger Jahre ließen Hochschulen und Gymnasien expandieren. Das Schulgebäude reichte nicht mehr aus; 1970 wurden die ersten Pavillons errichtet, 1972 die neue Turnhalle, 1973 der "Neubau" fertiggestellt. Anschließend wurde der "Altbau" umfassend renoviert, und die Schule erhielt ein Sprachlabor. 1978 ließ die Stadt weitere Pavillons von der Bismarck- zur Waldstraße umsetzen, um neue Klassenräume zu schaffen. 1981 und 1982 stieg die Schülerzahl auf über 1000.

Mehr Schüler als je zuvor besuchten jetzt die Gymnasien, darunter viele, die früher zweifellos zu einer Real- oder Hauptschule gegangen wären. Viele Gymnasialschüler strebten zwar das Abitur an, wollten aber nicht studieren, sondern mit besseren Chancen auf den Arbeitsmarkt treten. Welche Konsequenzen das Gymnasium daraus ziehen soll, ist umstritten. Soll es sich an die veränderten Schülerpopulationen anpassen, oder soll es am Primat des Zieles Studierfähigkeit festhalten? Die Alternative ist hier kraß formuliert; sicherlich lassen sich bei methodischer Flexibilität Mittelwege finden, das Grundproblem wird man damit aber nicht zufriedenstellend lösen können.

Auch die Zahl der Lehrer wuchs rapide, hinkte aber bis zum Ende der siebziger Jahre der Schülerentwicklung hinterher. Zahlreiche Hilfskräfte, Studenten oder Akademiker ohne Lehrerausbildung wurden eingestellt, um dem Lehrermangel notdürftig abzuhelfen. 1971 zum Beispiel gab es an der Waldstraße neben 26 hauptamtlichen Lehrern acht Hilfskräfte. Trotz zahlreicher Überstunden mußten 7 % des Unterrichts ausfallen. 1976 wurden alle Leistungskurse von sechs auf fünf, mehrere Grundkurse von drei auf zwei Wochenstunden gekürzt, in allen Klassen fiel Unterricht aus. 1977 waren 11,5 Planstellen unbesetzt, obwohl die Zahl der Lehrer auf 38 gestiegen war. Vier Stellen wurden durch 16 Hilfskräfte aufgefüllt, drei durch Überstunden ausgeglichen, und dennoch fiel Unterricht im Umfang von 4,5 Planstellen aus, vor allem in Sport, Musik, Deutsch, Religion und den Naturwissenschaften.[147]

Das Lehrerkollegium vergrößerte sich nicht nur, so daß heute kaum noch Unterrichtsstunden ausfallen müssen, sondern verjüngte sich auch; Fotos dokumentieren den Wandel eindrucksvoll. Jahr für Jahr traten mehrere junge Lehrer ihren Dienst an; der Anteil der Frauen stieg rapide. Nach den weiblichen Pionieren aus der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit war Maria Parschau lange Zeit die einzige Frau im Kollegium gewesen, während seit 1979 ein Drittel der Studien- und Oberstudienräte Frauen waren. Die zehn Direktorenposten jedoch sind auch 1989 noch ausschließlich von Männern besetzt.

Die tiefgreifenden Veränderungen führten im Lehrerkollegium zu Unruhe. Manche Lehrer hielten bis in die siebziger Jahre an einem traditionellen, vielleicht veralteten Unterrichtsstil fest, und einige scheuten sich nicht, trotz eindeutiger Verbote Schüler körperlich und zum Teil sehr hart zu bestrafen. Andere praktizierten einen kooperativeren Stil, der die Distanz zwischen Schülern und Lehrern erheblich verringerte. Die Kontroversen erreichten einen Höhepunkt, als sich 1978 fast eine gesamte Schulklasse aus Protest gegen die Behandlung durch einige Lehrer von der Schule abmeldete und auf das Gymnasium im Schulzentrum Holthausen überwechselte.[148] Das Lehrerkollegium veranstaltete ein "pädagogisches Wochenende" in Eckenhagen und einigte sich nach kontroversen, klärenden Diskussionen auf Grundprinzipien, die von nun an Gültigkeit haben sollten. Nicht zuletzt ging es darum, den Schülern der Klasse 5 den Übergang von der Grundschule zum Gymnasium leichter zu machen und den Schock der Umstellung in den ersten Wochen zu mildern.

Oberstudiendirektor des Gymnasiums Waldstraße war in dieser Zeit Dr. Strehlke, der die Schule zwanzig Jahre lang, von 1964 bis 1984, leitete. Er vertrat die Fächer Mathematik und Physik und war zuvor Lehrer in Dortmund und Bochum gewesen. Im Rückblick wertet er die Einführung eines neusprachlichen Zweiges, die Koedukation und den Anstieg der Schülerzahl als wichtigste Entwicklungen während seiner Amtszeit. Die beiden erstgenannten Neuerungen sieht er uneingeschränkt positiv; das schnelle Wachstum der Schülerschaft jedoch bedeutete angesichts von Raum- und Lehrermangel eine erhebliche Belastung.[149]

Nach der gleichzeitigen Pensionierung Dr. Strehlkes 1984 und seines Stellvertreters, Studiendirektors Nickel, standen kommissarisch zunächst Studiendirektor Müller als dienstältester Lehrer, dann Studiendirektor Rosendahl als neuer stellvertretender Schulleiter an der Spitze des Gymnasiums. Seit 1984 ist Dr. Esser Schulleiter des Gymnasiums Waldstraße. Seine Fächer sind Chemie und Physik. Vor 1984 war er zunächst Fachleiter für Chemie und Lehrer an einem Gymnasium in Gelsenkirchen, dann Leiter einer Bochumer Gesamtschule.

Im Vergleich zu der Zeit der Reformen, des Umbruchs, der dynamischen Modernisierung und euphorischen Bildungsexpansion erscheinen die achtziger Jahre eher als Phase der Konsolidierung, Ernüchterung, Stagnation. Niedrige Geburtenraten beendeten das Wachstum der Schülerzahl, so daß Überstunden abgebaut und keine Hilfskräfte mehr beschäftigt wurden. Die Sparpolitik der Regierungen verhinderte die Neueinstellung von Lehrern. Deshalb blieben die Klassenfrequenzen hoch, wurden sogar 1988 hinaufgesetzt, Lehramtsstudenten fanden keine Arbeit oder wanderten in andere Berufe ab, die Lehrerkollegien begannen zu überaltern.

Hatte sich das Durchschnittsalter der Lehrer an der Waldstraße von 45,0 Jahren 1964 auf 37,8 Jahre 1981 beträchtlich verringert, so setzte nun eine gegenläufige Entwicklung ein: 1988 war es auf 42,3 Jahre angestiegen, und ohne die Pensionierung einiger Lehrer wäre dieser Trend noch deutlicher ausgefallen. 1964 waren von 28 Lehrern einer jünger als 30, vier jünger als 33 Jahre; 1981 war bei insgesamt 60 Lehrern die Zahl der unter Dreißigjährigen auf elf, die der unter Dreiunddreißigjährigen auf 17 gestiegen; 1988 war keiner von den 63 Pädagogen jünger als 33 Jahre.[150] Diese Entwicklung ist um so bedenklicher, als gleichzeitig aus Kostengründen Fortbildungsmaßnahmen eingeschränkt wurden; im Schuljahr 1987/88 wurden fast alle bereits angekündigten Veranstaltungen ersatzlos gestrichen. Neue Impulse aus Fachwissenschaften und Didaktik finden so nur schwer den Weg in die Schulpraxis.

Die Verrechtlichung der Schule schritt in vorher ungeahntem Tempo fort. Sie ist zwar in einem demokratischen Rechtsstaat grundsätzlich erforderlich, doch die Tendenz von Bürokratien und Juristen zur Normierung aller Einzelheiten ist nicht nur gelegentlich absurd, wie der Beitrag von Ulrich Kenter zeigt, sondern auch gefährlich: Sie reduziert Verantwortlichkeit und folglich Engagement der einzelnen und legt nicht selten sinnvollen und richtigen pädagogischen Entscheidungen Hemmnisse in den Weg. Formale Korrektheit droht so im Schulalltag einen höheren Stellenwert zu gewinnen als Erziehungsinhalte.

Die Oberstufen- und Abiturreform wurde vorsichtig modifiziert und teilweise zurückgenommen: Kernfächer wie Deutsch, Mathematik oder die Fremdsprachen erhielten mehr Gewicht, manche Fächerkombinationen durften nicht gewählt werden. Die Schülervertretungen empfanden das zum Teil als "Deform", gegen die sie für den 11.6.1987 auch in Hattingen zu einem zweistündigen Unterrichtsboykott aufriefen.

Das Abflauen der antiautoritären Bewegung hatte trotz der Veränderungen, wie sie der hier abgedruckte Artikel aus der Schülerzeitung "Genial" von 1984 hellsichtig registrierte, keine völlige Entpolitisierung der Schülerschaft bedeutet. Die Schülerzeitungen, bis 1977 die "Diagonale", 1975/76 "Pro Discipulis" und "Discipulus Diagonalis", deutlich energischer 1979/80 "Zwanzig vor Acht" und 1981 "Glasklar", dann seit 1983 "Genial", griffen immer wieder aktuelle politische Themen auf, die die öffentliche Diskussion widerspiegeln: Umweltverschmutzung, Jugendarbeitslosigkeit, Aufrüstung und Friedensbewegung, Frauenemanzipation, Probleme der Dritten Welt, Ausländerfeindlichkeit und die drohende Massenarbeitslosigkeit in Hattingen. Bei schulspezifischen Themen war die "Genial" sehr zurückhaltend; vielleicht erklärt das, warum Kritik an Lehrern und deren Unterrichtsführung, wenn sie einmal geübt wurde, gleich großes Aufsehen in der Schule erregte. Im November 1981 stellte die SV eine Litfaßsäule auf, auf der Schüler die Gelegenheit hatten, persönliche Stellungnahmen zu allen sie betreffenden Fragen bekanntzumachen.

Für die SV war das Jahrzehnt von 1975 bis 1985 entscheidend durch Ulrich Kops geprägt, der elf Jahre lang Verbindungslehrer war. Ohne sein Engagement wären die Projektwochen und der von der SV veranstaltete Gesprächskreis zwischen Lehrern und Schülern wohl nicht zustande gekommen, auf seine Initiative geht die Gründung einer "Amnesty International"-Gruppe zurück. Nachdem am 12.3.1981 Urs Fiechtner und Sergio Vesely in der Aula bei einer Veranstaltung über politische Verfolgungen in Chile aufgetreten waren, entstand eine zunächst schulinterne "Amnesty"-Gruppe, die sich später zu einer Hattinger Gruppe erweiterte. Oberstudienrat Kops verließ das Gymnasium Waldstraße 1986; heute ist er Schulleiter der 1988 entstandenen Hattinger Gesamtschule.

1983 beschäftigten sich Schüler und Lehrer gemeinsam in einer "Friedenswoche" mit Problemen der Auf- und Abrüstung. Zum 8. Mai 1985, anläßlich des 40. Jahrestages des Kriegsendes, organisierten sie Ausstellungen, und ein Geschichtsleistungskurs erarbeitete eine Dokumentation zur Geschichte Hattingens und der Schule im "Dritten Reich".[151] Eine Schülergruppe bereitete 1986 eine Ausstellung zu Problemen von Asylbewerbern in der Bundesrepublik vor, und 1987 nahmen Schüler und Lehrer gemeinsam an Protestveranstaltungen gegen die Massenentlassungen an der Thyssen-Henrichshütte teil.

Auch pädagogisch waren die achtziger Jahre keine tote Zeit. 1981 wurde zum Beispiel mit der ersten "Projektwoche" (Prowo) das Experiment gemacht, Schüler weitgehend selbständig eine Woche lang an selbstgewählten Themen in klassen- und stufenübergreifenden Gruppen arbeiten zu lassen. Neben der Förderung der Schülerselbstbestimmung sollten damit die Isolation der verschiedenen Disziplinen und die Trennung von schulischem und außerschulischem Lernen überwunden, die Zusammenarbeit unter Schülern und zwischen Schülern und Lehrern verbessert werden.[152] 1983 und 1987 fanden erneut Projektwochen statt, die - anders als die erste - unter einem von den Schülern ausgewählten Oberthema standen. 1983 hieß es "Stirbt unser blauer Planet?", 1987 "Das Ruhrgebiet".

Das Schuljahr 1985/86 stand im Zeichen des Schulentwicklungsplanes (SEP), in dem die Verwaltung der Stadt Hattingen mittelfristig eine Verkleinerung des Gymnasiums Waldstraße auf eine dreizügige Sekundarstufe I und eine zweizügige Sekundarstufe II geplant hatte. Bei "Abgängigkeit der vorhandenen 10 Pavillonklassen" wollte man durch Veränderung der Einzugsgebiete mehr Schüler nach Holthausen lenken, wo unausgelastete Raumkapazitäten zur Verfügung standen.[153] Die Idee war nicht neu. Die Hattinger Ausgabe der WAZ hatte schon 1978, als es vier Anfängerklassen an der Waldstraße gab, gemeldet:

"Unter schulorganisatorischen Gesichtspunkten, so Beigeordneter Dieter Liebig, solle das Gymnasium Waldstraße langfristig kleiner werden, um die Kapazität im Schulzentrum voll ausschöpfen zu können."[154]

Die Eltern sahen in diesen Plänen jedoch die freie Schulwahl gefährdet und befürchteten längere Schulwege für ihre Kinder, die Schüler und Lehrer mußten bei geringerer Schülerzahl damit rechnen, daß das Kursangebot in der Oberstufe weniger reichhaltig sein werde, und so nahm der gemeinsame Widerstand von Schülern, Eltern und Lehrern gegen den SEP beachtliche Formen an: über fünftausend Unterschriften wurden gesammelt, Ratsmitglieder und Tageszeitungen erhielten hunderte Briefe, Schüler, Eltern und Lehrer verabschiedeten Protestresolutionen, die Zuschauertribüne des Rathauses war überfüllt.

Der Kampf war teilweise erfolgreich: die Pavillons wurden 1987 renoviert, so daß bis zum Ende des Jahrhunderts kein Raummangel auftreten wird, und die Anmeldezahlen für die Eingangsklassen sind so hoch, daß zu kleine Oberstufenjahrgänge kaum zu erwarten sind. Allerdings mußte das Gymnasium Waldstraße dreizügig werden und darf selbst bei hohen Anmeldezahlen nicht mehr vier Klassen der Jahrgangsstufe 5 einrichten. Die Folgen sind unerfreulich: Die Klassenfrequenzen sind hoch, und manche Schüler müssen abgewiesen werden.

Finanziell erwies sich die Stadt als großzügig, so daß die Ausstattung der Schule weiter modernisiert werden konnte. Die Anschaffung zusätzlicher Computer ermöglichte es, 1986 Informatikkurse in der Oberstufe einzurichten. Die Aula erhielt eine neue Ausstattung, und 1987 wurden die Chemieräume und das Fotolabor vollständig renoviert.

Arbeitsgemeinschaften erweiterten das Angebot: Schon seit 1966 existiert die als "Buddel-AG" bekannte archäologische Arbeitsgemeinschaft. Unter Leitung Dr. Eversbergs, der hier in einem eigenen Beitrag ihre Geschichte darstellt, widmete sie sich zuerst der Burgruine Altendorf, dann, seit 1970, den Ausgrabungen an der Isenburg.

Seit 1986 beschäftigt sich eine Arbeitsgemeinschaft mit der Geschichte unserer Schule. Ohne deren Arbeit hätte der vorliegende Aufsatz nicht geschrieben werden können. Die Themen anderer Arbeitsgemeinschaften reichen von Fotografie und Theater über Chemie und Altgriechisch bis zu Töpfern, Tauchen und Amateurfunk. Die von Bernd Leimann geleitete Theater-AG war aus einem Literaturkurs entstanden; vor allem mit ihrer "Nacht der Ungeheuer" hatte sie großen Erfolg und wurde 1984 zum Schülertheatertreffen nach Berlin eingeladen.

Fremdsprachige "Assistant Teachers" aus Großbritannien, den USA und Frankreich bereicherten den Fremdsprachenunterricht und durch das Angebot eines "English Club" auch das außerunterrichtliche Schulleben. David Limburg aus den USA schildert in dieser Festschrift seine Erfahrungen an der Waldstraße.

1979, 1982 und 1984 fanden große Schulfeste statt, und die SV veranstaltet seit 1985 jährlich ein Kulturfest mit Musik, Theater, Sketchen und Kabarett. Höhepunkte schulischer Fahrten sind die Skifreizeiten der Klassenstufe 8, die 1976 von Studienrat Kops ins Leben gerufen und elf Jahre lang geleitet wurden, die Abschlußfahrten der 10, meist nach München oder Berlin, und die Studienfahrten der Oberstufe, die überwiegend Ziele in Großbritannien, Frankreich oder Italien ansteuern. Der 1965 ins Leben gerufene Förderverein, der viele Projekte und Anschaffungen finanziert, ermöglichte zahlreichen Schülern die Teilnahme an diesen Fahrten. Von 1966/67 bis 1976/77 pflegte unsere Schule Kontake mit einer "Grammar School" in Hastings, und seit 1983 organisiert Oberstudienrätin Malik einen Schüleraustausch mit einer Schule in Minneapolis, dessen Entwicklung und Bedeutung sie in dieser Festschrift darstellt. Es gibt Kontakte zu einer Schule in Finnland und neuerdings in Belgien.

Das Jubiläumsjahr 1989 wird von einer erneuten Abiturreform getrübt: Aufgrund der Verlängerung der Wehrdienstzeit müssen die Abiturienten ihren Wehr- oder Zivildienst bereits am 1.6.1989 antreten, damit sie bei Verzicht auf Urlaub noch im Wintersemester 1990 ein Studium beginnen können. Für Kriegsdienstverweigerer gilt das allerdings nicht: wegen des längeren Zivildienstes können sie je nach Fachrichtung erst ein oder zwei Semester später ein Studium aufnehmen. Die Schulzeit wird von 1989 an um einen Monat verkürzt, die Zulassung zum Abitur kann erst nach den Abiturklausuren ausgesprochen werden. Im Auftrag der Lehrerkonferenz hat der Lehrerrat in einem Brief den Kultusminister Schwier gebeten, bereits die kleinsten Ansätze einer Unterordnung des Schulwesens unter sachfremde Ansprüche zurückzuweisen.

1989 hat das Gymnasium Waldstraße 808 Schüler, davon 378 Mädchen, und 65 Lehrer. Sie alle werden hier in Fotos vorgestellt.

Die Schule ist in ihrer 75jährigen Geschichte sicherlich demokratischer und vielleicht humaner geworden. Ihre wichtigsten Aufgaben sind nicht sehr spektakulär und haben deshalb in diesem historischen Rückblick nicht den gebührenden Platz gefunden: den Schülern Kenntnisse zu vermitteln und Erkenntnisse zu ermöglichen, Ignoranz, Engstirnigkeit und Dummheit durch Aufklärung zu überwinden und so einen bescheidenen Beitrag zur Mündigkeit und "Entbarbarisierung der Menschheit"[155] zu leisten.

 


[1] 1939 bzw. 1964, anläßlich der 25- bzw. 50-Jahr-Feiern, erschienen Arbeiten  von Juethe und Eversberg zur Geschichte der Schule, die wertvolle Informationen enthalten und auf die auch dieser Aufsatz mehrfach zurückgreift: Erich Juethe: Zur Geschichte der Adolf Hitlerschule, Oberschule für Jungen in Hattingen, in: Stadtarchiv Hattingen (künftig zitiert: StAH), D2, Nr. 320, auch veröffentlicht in: Die Heimat am Mittag, März 1939, in vier Folgen (künftig zitiert: Juethe 1939); Heinrich Eversberg: Die höhere Stadtschule zu Hattingen, Hattingen 1964.

[2] zur Vorgeschichte ausführlich Eversberg S. 9-127.

[3] StAH, D 2, Nr. 320 und Depositum III, Nr. 9.

[4] Eversberg S. 125ff.

[5] ebd. S. 128, 130.

[6] StAH, Verwaltungsberichte 1913-18.

[7] ebd., Depositum III, Nr. 19.

[8] ebd. Nr. 37.

[9] Eversberg S. 131.

[10] StAH, Depositum III, Nr. 17.

[11] Eversberg S. 138.

[12] Schularchiv. Akte "Erster Weltkrieg".

[13] StAH, Depositum II, Nr. 10a.

[14] ebd., Verwaltungsberichte 1913-18.

[15] Juethe 1939.

[16] ebd.; StAH, Depositum III, Nr. 17.

[17] Margret Kraul: Das deutsche Gymnasium 1780-1980, Frankfurt a.M. 1984, S. 152

[18] Details dazu bei Szigan und Petras, in: VHS Hattingen (Hrsg.): Alltag in Hattingen. Eine Kleinstadt im Nationalsozialismus, Essen 1985, S. 30ff., 211; zusätzlich: briefliche Mitteilung Harri Petras` vom 12.10.1988.

[19] Jahresbericht 1921/22, in: StAH, Depositum III, Nachtrag 1.3.; Petras S. 21.

[20] Alois Bach, Interview am 25.10.1988; zu Dr. Etterich vgl. auch Petras, S.21.

[21] Jahresbericht 1921/22.

[22] Ebd.; Eversberg S. 138.

[23] StAH, Depositum III, Nr. 10a; Eversberg S. 136; Petras 12.10.1988.

[24] StAH, D2, Nr. 320 und Depositum III Nr. 10a.

[25] Eversberg 137ff.

[26] ebd.; Jahresbericht 1929/30.

[27] Friedrich Alfred Beck: Kampf und Sieg. Geschichte der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Gau Westfalen-Süd von den Anfängen bis zur Machtübernahme, Dortmund 1938, S. 225.

[28] Jahresbericht 1926/27.

[29] Verfügung des Provinzialschulkollegiums zu Münster vom 10.7.1930.

[30] Wilfried Breyvogel/ Thomas Lohmann: Schulalltag im Nationalsozialismus, in: Alltag im Nationalsozialismus. Vom Ende der Weimarer Republik bis zum Zweiten Weltkrieg, Wuppertal 1981, S. 199-221, hier S. 204.

[31] StAH, Depositum III, Nr.12; Jahresbericht 1929/30.

[32] Jahresbericht 1932/33

[33] Breyvogel/Lohmann S.206.

[34] StAH, D2, Nr. 266.

[35] Eversberg S. 143; Jordan (Bürgermeister): Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten in der Stadt Hattingen-Ruhr für die Jahre 1933-1936, S. 16f.

[36] Wilhelm Fox, handschriftliche Erinnerungen, Hattingen 1988, und Interview am 26.5.1988; vgl. Kraul S. 176f.

[37] Juethe 1939.

[38] StAH, Depositum III, Nr. 12.

[39] ebd., 4.5.1938.

[40] Kraul S. 161; StAH, Depositum III, Nr. 1 und 12.

[41] ebd. Nr.12.

[42] Bruno Meck, Interview am 9.2.1988.

[43] Rittermeier in: VHS Hattingen S. 140; Hattinger Zeitung 2.9.1939.

[44] ebd. 13.12.1933 und Rittermeier S. 128.

[45] Breyvogel/Lohmann S. 206.

[46] StAH, Depositum III, Nr. 12; dort auch detaillierte Berichte aus der Unterrichtspraxis.

[47] Jahresbericht 1934/35.

[48] StAH, Depositum III, Nachtrag 1.4.

[49] Eversberg S. 142.

[50] Fox, a.a.O.; Meck, a.a.O.; Eversberg S. 125 Anm. 128.

[51] Worgull in: VHS Hattingen S. 172f.

[52] StAH, D 2, Akte Nr. 6.

[53] Fox, a.a.O., Meck, a.a.O.

[54] StAH, Depositum III, Nr. 12, Briefwechsel 15.6.1935, 15.8.1935; veröffentlich auch in: Das Gymnasium Waldstraße, die Stadt Hattingen und der Nationalsozialismus. Eine Dokumentation,  zusammengestellt von Heinz Niggemann, Hattingen 1985, S. 45ff.

[55] StAH, Depositum III, Nachtrag 1.4.

[56] ebd. Nr. 12; Eversberg S. 144; Alois Bach, Interview am 5.6.1986.

[57] StAH, Depositum III, Nr. 12 und Eversberg S. 144.

 

[58] Interview mit der Betroffenen, die namentlich nicht genannt werden möchte, am 2.5.1988; zu Lütteken vgl. Szigan S. 199.

[59] StAH, D2, Nr. 6 und  100; Hattinger Zeitung 20.5.1935; Jordan S. 18; Eversberg S. 143f.

[60] StAH, Depositum III, Nr. 12.

[61] ebd.; Rittermeier S. 149

[62] Meck, a.a.O.; vgl. Eversberg S. 142.

[63] zitiert nach Eversberg S. 142.

[64] Juethe 1939.

[65] Eversberg S. 206, Meck, a.a.O.; StAH, Depositum III, Nr. 12.

[66] Die Heimat am Mittag, 27.7.1964.

[67] Eversberg S. 144f.; Erich Juethe: Hattingen im 2. Weltkrieg, 1939-1945. Berichte und Schilderungen, Hattingen 1960, S. 5ff. (künftig zitiert: Juethe 1960); Worgull S. 251f.

[68] StAH, Depositum III, Nr. 12.

[69] ebd.; Juethe 1960 S. 17ff., Rittermeier S. 147.

[70] Eversberg S. 145f., 151f.; Rittermeier S. 155f.; bei Eversberg ist die Beschwerde Diehls abgedruckt, bei Juethe 1960 S. 20ff. ein Bericht eines Luftwaffenhelfers.

[71] Eversberg S. 152; Juethe 1960 S. 25, 29f., 46.

[72] Eversberg S. 147; Juethe 1960 S. 68, 72; Rittermeier S. 154.

[73] StAH, D 2, Nr. 177.

[74] Eversberg S. 144f, 148; Juethe 1960 S. 60, 68.

[75] Juethe 1960 S. 60ff., 94ff.; StAH, D 2, Nr. 19 und 320.

[76] StAH, D 2, Nr. 19; Ruth Ackermann, Interview am 19.9.1988.

[77] Ingeborg Haack, Interview am 7.3.1988; vgl. auch ihren Beitrag in dieser Festschrift.

[78] Jahresbericht 1947/48.

[79] Ackermann, a.a.O.;  StAH, D 2 Nr. 19, 270 und 320, Depositum III Nr. 14.

[80] ebd. D 2, Nr. 266, Schreiben vom 10.5.1946; D 2, Nr. 320, Verwaltungsbericht ab 14. März 1945 vom 1.4.1948; Eversberg S.155.

[81] StAH, D 2, Nr. 270 und 320, Depositum III Nr. 14,; Ackermann, a.a.O.

[82] StAH, Depositum III, Nr. 65: Konferenzen 1948/49.

[83] Ackermann, a.a.O.

[84] StAH, Depositum III, Nr. 65, D 2 Nr. 16, 320 und 337; Jahresbericht 1947/48.

[85] StAH, D 2 Nr. 16, 269 und 324, Depositum III Nr. 14.

[86] StAH, D 2 Nr. 324.

[87] StAH, Depositum III, Nr. 14 (18.9.1945).

[88] StAH, D 2, Nr. 266 (H.Q. = Headquarter; fälschlich benutzt für "Hochburg").

[89] Günter Pakschies: Umerziehung in der Britischen Zone 1945-1949, Köln 1984, S. 165.

[90] ebd.; auch in StAH, D 2, Nr. 266.

[91] StAH, d 2, Nr. 266.

[92] Interview mit Dr. Birkenberg in der Schülerzeitung "Die Diagonale" 3 (1958) S. 12f

[93] StAH, D 2, Nr. 324.

[94] zu diesem Begriff vgl. Werner Abelshauser: Die Langen Fünfziger Jahre. Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland 1949-1966, Düsseldorf 1987.

[95] StAH, D 2, Nr. 16.

[96] Westfälische Rundschau 25.11.1952.

[97] SMV-Akten 1956/57, 1961/62.

[98] StAH, D 2, Nr. 270, 320.

[99] ebd. Nr. 67, 269; Diagonale 2 (1958).

[100] Peter Daube (Sohn Otto Daubes) und Marliese Diel (ehemalige Schülerin), Interviews am 30.10.1988.

[101] Diagonale 2 (1958) S. 19, 8 (1960) S. 4f.

[102] Westfälische Rundschau 1.7.1964, Ruhr-Nachrichten 1.7.1964.

[103] StAH, D 2, Nr. 19.

[104] ebd. Nr. 19, 269, 320.

[105] ebd. Nr. 320, 337.

[106] ebd. Nr. 269; Ruhr-Nachrichten 22.2.1957; Diagonale 5 (1959 Heft 1) S. 2; SMV-Akte 1956/57.

[107] Alois Bach, Interview in: Diagonale 5 (1959 Heft 1) S. 5; vgl. auch Diagonale 3 (1958) S. 2; Ruhr-Nachrichten 22.2.1957.

[108] Diagonale 4 (1958) S. 11f.

[109] SMV-Akten 1957/58 ff.

[110] Hans Willhardt, Interview am 15.3.1988; Westfälische Rundschau 11.3.1960.

[111] Diagonale 1 und 2 (1958).

[112] ebd. 10 (1962) S. 8f., 13f.

[113] ebd. 11 (1963) S. 14f; 12 (1963) S. 16f.

[114] ebd. 17 (1964) S. 43.

[115] StAH, Depositum III, Nr. 15.

[116] Diagonale 1 (1958) S. 10; 3 (1958) S. 13; 13 (1964) S. 14f.; 14 (1964) S. 22ff.; SMV-Akte 1964/65.

[117] SMV-Akte 1962/63, 1963/64; Diagonale 8 (1960) bis 19 (1968).

[118] StAH, D 2, Nr. 67, z.B. 4.7.1955, 17.9.1959.

[119] Gerdard Ostheide, Interview am 18.9.1987.

[120] SMV-Akte 1962/63, Schülerratssitzung vom 14.7.1962.

[121] Ostheide, a.a.O; ähnlich äußern sich zahlreiche ehemalige Schüler.

[122] Haack, a.a.O.; Klaus Hopperdietzel, Interview am 12.6.1986.

[123] Haack, a.a.O.; vgl. auch ihren Beitrag in dieser Festschrift.

[124]StAH, D 2, Nr. 337, 265.

[125] Westfälische Rundschau 12.3.1961, 11.10.1961.

[126] StAH, D 2, Nr. 67, 265, 271; Heimat am Mittag 8.1.1964.

[127] Protokoll der Gesamtkonferenz vom 25.10.1967; Karl Strehlke, Interview am 1.11.1988.

[128] Willhardt, a.a.O.

[129] Die Heimat am Mittag 30./31.3.1963; Westdeutsche Allgemeine Zeitung 29.2.1964, 4.4.1964; Georg Picht: Die deutsche Bildungskatastrophe, Olten und Freiburg 1964, S. 16, 18.

[130] Die Heimat am Mittag 11./12.4.1964, 23.4.1965; Westdeutsche Allgemeine Zeitung 20.11.1968.

[131] Ruhr-Anzeiger 5.4.1968; Westfälische Rundschau 22.6.1968. Der "Ruhr-Anzeiger" war die Nachfolgezeitung der "Heimat am Mittag".

[132] vgl. Abelshauser S. 75.

[133] Diagonale 8 (August 1967) S. 20f.

[134] Die Heimat am Mittag, 4.7.1967.

[135] StAH, D 2, Nr. 67.

[136] Diagonale 20 (1968) S. 8ff., 11ff., 36ff., 43ff.

[137] ebd. 21/22 und 23/24 (1969).

[138] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 22.3.1969; Westfälische Rundschau, 1.4.1969.

[139] SMV-Akte 1968/69.

[140] Diagonale 23/24 (1979) S. 23ff., 27f..

[141] Westdeutsche Allgemeine Zeitung 22.12.1969.

[142] So die Einschätzung Ostheides, a.a.O.

[143] Erlaß des Kultusministers vom 11.12.1964.

[144] Die Heimat am Mittag, 18.4.1950; Diagonale 3 (1958) S. 12f.

[145] Die Heimat am Mittag, 23.12.1965.

[146] vgl. z.B. die von den Abiturienten 1986 und 1987 herausgegebenen "Bierzeitungen".

[147] Protokolle der Schulpflegschaftssitzung vom 16.9.1971, der Gesamtkonferenz vom 6.9.1976 und der Dienstbesprechung vom 24.1.1977; SMV-Akte 1976/77.

[148] Ulrich Kops (damals Klassenlehrer der betreffenden Klasse), Interview am 12.10.1988.

[149] Strehlke, a.a.O.

[150] errechnet nach: Philologen-Jahrbuch Gymnasien-Gesamtschulen. Kunzes Kalender. Landesausgabe Nordrhein-Westfalen, Köln und Münster 1963/64 ff.; Eversberg S. 162ff.

[151] vgl. Anm. 54.

[152] Arbeitspapier "Prowo 81", S. 1.

[153] Schulentwicklungsplan der Stadt Hattingen, Hattingen 1.1.1985, S. 73.

[154] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 26.4.1978.

[155] Theodor W. Adorno: Tabus über dem Lehrberuf; in: Stichworte. Kritische Modelle 2, 5. Aufl. Frankfurt a.M. 1980, S. 84.